Unna. . Eine Frau, 70 Jahre alt, erzählt ihre Geschichte. Dass aus einer Frau, die einst “wie die Made im Speck lebte“, wie sie selbst sagt, eine arme Rentnerin wurde, die sich nichts leisten kann, hat vor allem einen Grund. Die ehemalige Hausfrau hat kaum gearbeitet und wurde von der Scheidung überrascht.

Hätte sie das alles vorher gewusst, hätte sie alles anders gemacht: später geheiratet, später Kinder gekriegt, aber vor allem, lange gearbeitet. Heute, als geschiedene Frau von 70 Jahren, kann sie auf zwei Leben zurückblicken. Auf das eine, einer gut versorgten Ehefrau und Mutter. Auf das andere, das mit dem Seitensprung ihren damaligen Mannes begann und in die Armut führte. Maria Meier, die ihren richtigen Namen nicht nennen will, muss im Monat mit 731 Euro auskommen. „Ich kann mir nicht mal leisten zu sterben.“ Sie ist einer von 464.836 Menschen über 65, die Grundsicherung beziehen und von der Hand in den Mund leben.

In ihrer 40 Quadratmeter großen Wohnung ist die gute Stube geheizt. Doch im Laufe des Gesprächs werden die Füße kalt, Maria Meier hat die Heizung runtergedreht. „Entschuldigung, aber ich kann sie nicht laufen lassen“, sagt die Frau. Ihren Wohnzimmerschrank hält sie in Ehren, „den haben wir uns schreinern lassen, der hätte jetzt auch Goldene Hochzeit“. Auf dem guten Stück aus der guten Zeit stehen Bilder von den Kindern und Enkeln. Ein ganzes Jahr lang muss sie sparen, um den Kleinen ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen.

Dabei war mal alles anders. Maria Meier ist eine jener Frauen, die mit 14 Jahren in die Lehre gingen. Sie lernte in der Metzgerei und arbeitete bei Karstadt in der Küche. Bis sie ihren Mann, ebenfalls Metzger, kennenlernte. Im Jahre 1964 haben die beiden geheiratet, kurze Zeit später kam ihr Sohn zur Welt. Für ihren Mann war es eine Frage der Ehre, dass seine Frau nicht ar­beiten musste. Auch nicht, als das zweite Kind geboren wurde. „Ich war damit einverstanden. Haushalt und Kinder waren mein Ding. Mein Mann hat das Geld nach Hause gebracht.“

Meisterin des Verzichts

Maria und ihre Familie führen ein gutes Leben, „wie die Made im Speck haben wir gelebt“. Eine 100 Quadratmeter große Wohnung, zwei Autos, Urlaube an der Nordsee oder in Spanien, gutes Essen.

„Ehrlich, wir konnten uns alles leisten“, sagt sie. Ihr Mann hatte in seiner Branche Karriere gemacht. Alle zwei Jahre musste es ein neuer Mercedes sein. Maria Meier dachte, so geht es weiter – für immer.

Bis zu jenem Tag, als ein Telefonanruf diesen Traum beendete. Ein gehörnter Ehemann setzt sie ins Bild, dass sie betrogen wird. 1992 wird die Ehe geschieden. Nach 29 Jahren. Maria Meier fällt in ein tiefes Loch.

Zu Weihnachten schenkte ihr die Gemeinde 40 Euro

„Ich bin ehrlich. Es sollte ihm weh tun. Ich musste und wollte nicht arbeiten.“ Anstatt sich auf Jobsuche zu begeben, lebt sie von den Unterhaltszahlungen. Doch als ihr Ex-Mann Rentner wird, ist damit Schluss. Erst da fällt der Groschen. Maria Meier hat nichts. Sie wird beim Sozialamt vorstellig. Sie muss ihre Lebensversicherung auflösen. Als die 4000 DM Erlös aufgebraucht sind, darf sie wiederkommen. Sie zieht in eine kleine Wohnung und muss alles verkaufen, was sie an glückliche Tage erinnert. Wie den großen Esstisch, an dem ihre Familie so viele Mahlzeiten geteilt, so viel Zeit verbracht hat. „Da wusste ich, dein altes Leben ist weg.“

Heute lebt die Frau von 508 Euro Rentenausgleich und 223 Euro Grundsicherung. Davon bezahlt sie Miete (332 Euro), Strom (33 Euro) und Telefon (27 Euro). Putzen ist sie gegangen. Die 70-Jährige ist Meisterin des Verzichts geworden. Sie muss billig einkaufen. Manchmal geht sie zum Friseur. Sie spart. Für die Enkel oder die nächste Reparatur der Waschmaschine. Sie dreht jeden Cent um. Weihnachten schenkte ihr die Gemeinde 40 Euro. Das war ein Fest. „So weit ist es gekommen.“

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Mütterrente landet nicht in der Geldbörse

Eine Frau in Nordrhein-Westfalen bezieht im Durchschnitt 490 Euro Rente. Sollte eine dieser Frauen gejubelt haben, dass die Mütterrente ihre Einkünfte aufbessern könnte, war sie naiv. „Frauen mit geringem Alterseinkommen werden leer ausgehen“, sagt Marina Herbrich, Präsidentin des Bundesverbandes der Rentenberater. Grund: Die Mütterrente von 28 Euro pro Kind wird mit der Grundsicherung verrechnet.

Somit, sagt Marina Herbrich, sorge die Mütterrente lediglich für eine Verschiebung. „Gibt es mehr Rente, fällt die Grundsicherung halt kleiner aus.“ Bei der Grundsicherung handele es sich um eine aus Steuermitteln finanzierte Sozialleistung. „Für mich ist die Verrechnung ganz logisch“, sagt Marina Herbrich.

293.000 Frauen betroffen

Durch die geplante Mütterrente wird die Bundesregierung also nur jene Frauen mit vor 1992 geborenen Kindern besserstellen, die eine hohe Rente beziehen. Auch bei Frauen, die eine Witwenrente erhalten, wird der zusätzliche Rentenpunkt für Kindererziehung auch als Einkommen angerechnet.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatten in Deutschland im vergangenen Jahr 293.000 Frauen über 65 so wenig Rente, dass sie zusätzlich staatliche Leistungen bezogen haben. Insgesamt erhielten am Jahresende 2012 in Deutschland knapp 465.000 Personen über 65 Jahre Grundsicherung. Die Zahl der Hilfebezieher stieg im Vergleich zu 2011 um 6,6 Prozent.