Oer-Erkenschwick. . Der zehnjährige Jannik aus Oer-Erkenschwick rettete seine Geschwister vor einem Feuer. Allein zu Hause mit den Kleinen, weckte er die beiden, machte ihnen Beine, rief die Feuerwehr an und klopfte bei Nachbarn. Für kurze Zeit galten die Kinder als eventuell tot.
Eine kurze, beruhigte Wohnstraße in Oer, nur links hinten am letzten dreistöckigen Haus ist das Dach ausgebrannt und steht offen. Klinker sind verrußt, die ganze Wand zeigt noch die feuchten Schlieren des Löschwassers, und die abgeplatzten Schindeln liegen im Garten.
Nichts passiert. Gemessen daran, dass drei Kinder oben in der Wohnung waren, als das Feuer ausbrach.
„Riesenknall“ im Waschraum, alles voller Rauch
Aber Jannik, der Zehnjährige unter ihnen, hat alles richtig gemacht. Und der Nachbar darunter ebenfalls, seinen Namen will er nicht nennen. Und dann gehört natürlich auch noch Glück zu der Geschichte. Zufall, Fügung, wenn man will. Doch von vorn.
Oben lebt eine 39-jährige Frau mit vier Kindern. Doch sie ist nicht in der Wohnung an diesem Freitagabend; sie sagt, sie musste Luft schnappen. Und der älteste Sohn (16) ist auch nicht da, er ist Lehrling, arbeitet. Jannik ist mit seinen Geschwistern zu Hause, dem Mädchen von vier, dem Jungen von einem Jahr. Die Kleinen schlafen, er spielt mit der Wii-Konsole. Plötzlich hört Jannik einen „Riesenknall“ im Waschraum und schaut nach. „Alles war voller Rauch. Ich dachte, raus hier.“ Und er handelt richtig. Ruft die Feuerwehr an. Weckt die Kleinen, fordert sie auf, runterzulaufen. „Im Schlafanzug, was Anderes war ja nicht möglich.“
Tumult im Treppenhaus
In der Wohnung darunter freut sich ein Ehepaar auf das Länderspiel. Sonst wäre es gar nicht zu Hause (das ist der Glücksfall, die Fügung). Plötzlich eine Störung. „Wer klopft denn da?“ Jannik. Jannik: „Es brennt.“ – „Wo denn?“ – „Bei uns oben.“ Der Nachbar rennt hoch, die Kleinen kommen ihm entgegen, er liest sie auf und rennt dann nochmal zur Wohnung. Ob nicht doch noch jemand drin ist? Nein! Inzwischen hat der Tumult im Treppenhaus das ganze Sieben-Familien-Haus erfasst; bei Polizei und Feuerwehr, die jetzt vorfahren, macht zunächst die Nachricht die Runde, in der brennenden Wohnung seien noch drei Kinder oder sogar vier.
So steht es im späteren Polizeibericht: „Nach Auskunft der Feuerwehr bestand zu diesem Zeitpunkt für die Kinder bei Aufenthalt im Objekt keine Überlebenschance. Zu einem späteren Zeitpunkt erhielten Kräfte den Hinweis auf eine unerwartete Rettung der Kinder.“
„Irgendwie bin ich auch traurig“
Sie sind zunächst wie die anderen Hausbewohner in Rettungswagen, werden später in die Dattelner Kinderklinik gefahren und auf Rauchgasvergiftungen untersucht.
Es ist Sonntag, die Familie sitzt in einem Hotel in Oer-Erkenschwick, wo sie jetzt vorübergehend untergebracht ist. Denn etwas aus den Flammen zu retten – keine Chance. Kleidung gab es, vom DRK. Die Mutter grübelt: „Wir haben unsere Existenz verloren.“ Jannik sitzt daneben. Fühlt er sich wie ein Held? „Vielleicht ein bisschen. Aber irgendwie bin ich auch traurig.“
Die Ursache war wahrscheinlich ein technischer Defekt. Heute kommt der Brandsachverständige. Und der Dachdecker. In den Wohnungen: Brandgeruch, Feuchtigkeit. Ein Mann klagt über Kopfschmerzen. Es ist nichts passiert, gemessen daran, dass drei Kinder . . . „Der Große hat richtig beherzt gehandelt“, sagt die Anliegerin Hildegard Packwitz.