Duisburg. . Damit die Spielplätze im Ruhrgebiet sicher bleiben, werden sie regelmäßig kontrolliert. Es reicht aber nicht, sich die Geräte nur anzuschauen: Die Kontrolleure müssen sie auch ausprobieren. Wir haben einen professionellen Tester im Alltag begleitet.
Da steht ein Mann in der Nestschaukel! Er schaukelt sie nach reichlich vorhandenen Leibeskräften, wie es selbst die größten Kleinen nie könnten, und hat dabei auch noch dieses Lachen im Gesicht. Müsste man nicht die Polizei . . .?
Doch kurz zuvor hat Stefan Hambücker völlig öffentlich und entspannt seine Teleskopleiter an das Spielgerüst gelehnt, den Werkzeugkoffer in den Sand gelegt und dazu das praktische, doch leider nahezu unbekannte Handbuch „DIN-Taschenbuch 105: Spielplätze und Freizeitanlagen (6. Auflage)“, welches gefällt mit Sätzen wie: „Die entsprechenden Mindestsicherheitsabstände sind in DIN EN 1176-2:2008-08,4.4.1. gerätespezifisch festgelegt.“
Man ahnt es jetzt schon, Hambücker ist bei der Arbeit. Er ist: der Spielplatzkontrolleur. Rutschen, schaukeln, wippen, so verbringt er viele Stunden. Und das beruflich!
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Zwei Monate ist es her, dass auf einem Spielplatz in Datteln eine 18-Jährige erschlagen wurde von einer Schaukel, die zusammenbrach. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat inzwischen ein Gutachten bei der Hand, wonach die schuldige morsche Stelle eines Pfostens zu tief in der Erde lag, als dass sie bei der Jahresinspektion hätte entdeckt werden können. Fehler bei der Herstellung, Fehler bei der Installation, das ist jetzt noch die auszuermittelnde Frage.
Einmal im Jahr kommt der Spielplatz-TÜV
Denn alle Ruhrgebietsstädte kontrollieren ihre Spielplätze in einem engen Takt. Häufige Sichtkontrollen, dann regelmäßige operative Überprüfungen (deretwegen Hambücker, der Ärmste, dann gezwungen ist, zu klettern und sogar zu schaukeln). Und dann gibt es noch die Hauptuntersuchung, den alljährlichen Spielplatz-TÜV, wenn sie in die Gelenke gucken oder Verschleißteile auseinanderbauen.
Der Stadtpark Meiderich ist groß und alt und schön; die Autobahn 59 überquert ihn auf Betonstelzen, doch geht man etwas weg, sieht man sie vor lauter Bäumen nicht. Es ist früher Morgen, es ist die perfekte Kontrollzeit, denn noch sind die Spielplätze leer: „Nach zehn, da können Sie mit Kindern links und rechts nicht mehr richtig kontrollieren“, sagt Hambücker.
Lieber einen Balken etwas zu früh erneuern
Hier ist der 44-Jährige gerade unterwegs, prüft etwa, ob Schraubstifte noch an ihrem sicheren Platz sind, und bohrt Schraubenzieher ins Holz auf der Suche nach morschen Stellen am unteren Gestell: „Wenn ich da zu tief reinkomme, rücken wir nächstes Mal mit Spaten an. Zum Freilegen.“
Er lasse einen Balken lieber etwas zu früh erneuern als zu spät, wird er später sagen: „Sicherheit geht vor. Man steht ja auch fast mit einem Bein im Gefängnis.“ Denn jede Kontrolle wird im Lesegerät vermerkt, jeder Makel, jeder Auftrag, jeder Vollzug. Der Kontrolleur könnte zwar jedes Häkchen wieder löschen, warum auch immer, aber nicht die Erinnerung des Geräts an diese Schritte.
Dies ist einer der attraktivsten Spielplätze der Stadt: mit Vogelnest und Drehscheibe, Seilzirkus, Wasserbahnen, Sandflächen, Wipphähnen. Und manches, was aussieht wie harmloses Spielgerät, ist eigentlich eher eine gut getarnte Reha-Station für dickliche Stadtkinder, wenn man es recht bedenkt: mit Rutschen, Wackelbrücken und Balancierbalken, diese wiederum in den Varianten „mit Handführung“ und „ohne“.
Würden sich jetzt kleine Fehler finden, Hambücker beseitigte sie selbst: Schrauben ersetzen, Nägel festhämmern. Bei größeren riefe er das Service-Team an, und bei Unfallgefahr würde er hierbleiben und Kinder fernhalten, bis die Gefahr behoben ist – der alte Spielverderber.
Von Anfang an dabei
Der Mann war Schlosser auf Schacht Walsum und Soldat, muss man wissen, bevor er zu den Wirtschaftsbetrieben der Stadt Duisburg kam. Hambücker ist kompakt und kräftig: Dreitagebart, enges T-Shirt, Ohrring. Als Duisburg um die Jahrhundertwende die Kontrollen neu aufbaute, stieß er hinzu, da seine Tochter Anna-Lena gerade im Spielplatzalter war, „und ich habe oft selbst über den Zustand von Plätzen geschimpft“.
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Anfangs fotografierten sie alle Spielplätze und Geräte durch, erinnert er sich, „ich habe immer gewartet mit den Fotos, bis kein Kind mehr da war“. Schlechtes wurde ihm dennoch unterstellt: In einer Siedlung hielten zwei ältere Männer ihn fest als vermeintlichen Einbrecher und wollten die Polizei holen.
Noch heute wird er manchmal für einen besonders entschlossenen Vandalen gehalten, wenn jemand sieht, wie er einen Schaukelsitz abmontiert und wegfährt – dass der Sitz vielleicht vom Hund verbissen war, sieht ja keiner.
Fast fertig nun mit Meiderich. Alles kontrolliert, alles angeguckt. Noch einmal operative Kontrolle, noch einmal Spielen als Beruf. Eine Fahrt mit der Seilbahn. „Scheiße langsam“, sagt Hambücker. „Das macht überhaupt keinen Spaß.“ Das Seil hängt leicht durch. Er setzt ein Häkchen im Lesegerät.
Unterwegs mit dem Spielplatzkontrolleur