Düsseldorf. Zwei kurze Fragen hatte die Schulleitungsvereinigung (SLV) den Schulen in NRW gestellt: Wie viele Stellen stehen euch zu? Und: Wie viele habt ihr? 800 (von 6700) Schulen reagierten und schickten Antworten, die Ministerin Barbara Sommer (CDU) nicht gefallen können.
„Die Ergebnisse sind repräsentativ für alle Schulformen”, sagt Margret Rössler, SLV-Vorsitzende in NRW. „Wenn wir das hochrechnen, müssen wir davon ausgehen, dass landesweit 4000 Stellen unbesetzt sind”, glaubt Rösslers Vorstandskollege Harald Willert.
Das Schulministerium beurteilt die Lage erwartungsgemäß ganz anders: „Die Quote der unbesetzten Lehrerstellen beträgt in NRW nur 0,5 Prozent ”, heißt es. Es fehlten also nur rund 800 Lehrer. Überhaupt geht Düsseldorf davon aus, „dass sich vor allem die unzufriedenen Schulleiter an der Umfrage beteiligt haben und nicht diejenigen, die mit der Besetzungssituation zufrieden sind.”
"Nichtbesetzungen werden gar nicht mehr veröffentlicht"
Das will Harald Willert, selbst Leiter eines Gymnasiums in Oberhausen, nicht so stehen lassen: „Wir haben auch viele Rückmeldungen von Schulen, an denen die Situation gut ist.” Die große Diskrepanz zwischen den Zahlen der SLV und denen des Ministeriums erklärt er sich so: „Wir klären mit der Bezirksregierung, wie viele Stellen ausgeschrieben werden können. Aber erfahrungsgemäß werden diese Stellen nicht alle besetzt. Ich vermute, dass viele dieser Nichtbesetzungen hinterher gar nicht mehr veröffentlicht werden.”
Fehlen nun also 4000 Lehrer oder doch nur 800? Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) liegt in seiner Einschätzung näher bei den Schulleitern. „Das Ministerium redet immer gern vom Landesdurchschnitt, und der ist nicht schlecht. Aber es gibt einzelne Schulen, an denen besonders viele Stellen unbesetzt bleiben. Ich glaube, dass wir, um alle Schulen voll besetzen zu können, 4000 Lehrer mehr bräuchten”, erklärt VBE-Landesvorsitzender Udo Beckmann auf Nachfrage dieser Zeitung.
Die Schulleitungsvereinigung sieht insbesondere die Gesamtschulen, Förderschulen und Berufskollegs im Nachteil. Dort seien vier Prozent der Stellen unbesetzt. Die Grundschulen schneiden mit einem Defizit von einem Prozent noch gut ab.
Die Lehrergewerkschaft GEWgeht davon aus, dass im Land „mindestens 2000” Lehrer fehlen. Die Stellen könnten einfach nicht besetzt werden. „Der Arbeitsmarkt ist leer. Lehrer, die früher Vertretungen machten, haben heute feste Verträge, und es gibt viel zu wenig qualifizierten Nachwuchs”, sagt Andreas Meyer-Lauber, der GEW-Landesvorsitzende. In den nächsten Jahren dürfte sich die Lage wegen der vielen Pensionierungen noch dramatisch verschärfen.
Laut GEW ist die Abbrecherquote der Lehramtsstudenten viel zu hoch. „Von 10 000 Studierenden erreichen nur 6000 das 1. Staatsexamen”, so Meyer-Lauber.