Essen. Das Ende der Raucherkneipe wurde oft ausgemalt, oft angedroht. Nun ist es fast soweit: Das Kabinett in Düsseldorf hat das geänderte Nichtraucherschutz-Gesetz bereits verabschiedet. Die Wirte befürchten das Schlimmste, wenn ein Rauchverbot in Kraft tritt.
So eine Kneipe ist das „Alt-Riemke“: Kommt ein Mann durch die Tür und ruft „Morgen“ in die Runde am Tresen, ruft die Wirtin Nadine Jesch aus dem Hinterzimmer „Morgen, Gerd“ zurück – wo sie ihn doch gar nicht sehen kann! So eine Kneipe ist das „Alt-Riemke“ also, und die Begrüßung geht so weiter: „Mein Schätzchen ist wieder da“, sagt Gerd über Nadine: „Blondes Gift, ne, Fritz?“
Die Kneipe ist von 1970 auf uns gekommen, wie es aussieht, im dunklen Originalzustand, und die rauchenden Rentner an der Theke möchten zur Eröffnung auch schon dagewesen sein, als junge Kerle. Und wenn der Tabak nun erlischt? „Das geht an meine Existenz, ich bin frisch getrennt, zwei Kinder, wir leben dann vom Arbeitsamt“, sagt Nadine Jesch, die Wirtin. „Scheiße“, sagen die Rentner, oder „Ich bleib’ zu Hause“ oder „Denken Sie, wir gehen raus zum Rauchen?“ – während draußen, wie bestellt von Philip Morris, aus Gründen der ungemütlichen Illustration der Landregen niedergeht.
Die Raucherkneipe. Das Ende. Oft ausgemalt, oft angedroht, doch nun ist es fast soweit: Das Kabinett in Düsseldorf hat das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern in NRW vom 20.12.07, geändert 30.06.09“ bereits verabschiedet, es ist unterwegs im Landtag und kommt in wenigen Monaten in der Wirklichkeit an: ein Rauchverbot ohne Umgehungsstraßen. Keine Raucherclubs mehr, keine separaten Räume.
Die neue Glastür muss raus
„Gerade hatte es sich eingespielt, da wird wieder alles anders. Das Übliche“, sagt Dirk Steinbrecher bitter, der geschäftsführende Gesellschafter der „Bermuda-Gastro-GmbH“. Im Vertrauen auf das alte Gesetz haben sie in der Kneipe „Mandragora“ für knapp 4000 Euro eine Glastür eingebaut, um die Bereiche zu trennen, nun wird es bald keinen Raucherbereich mehr geben dürfen. „Die Tür reißen wir raus, die verschandelt eh den Laden“, sagt Steinbrecher und nimmt an, dass die Gastronomie „jetzt wahrscheinlich investiert in schnuckelige kleine Raucherbereiche vor den Kneipen“. Aber ganz ehrlich: Er selbst überlegt lieber noch. Der Glastür wegen.
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Es gehört keine größere Hellsichtigkeit dazu, jetzt einfach mal vorauszusagen, dass das Kneipensterben sich beschleunigen wird. Im Gange ist es seit Jahrzehnten, allein im letzten sank die Zahl in NRW von 14 200 auf 9700. „Es kommen oft mehrere Faktoren zusammen, einzelne müssen vielleicht schließen wegen des Rauchverbots, aber bei vielen ist das Rauchverbot nur der Sargnagel“, sagt Frank-Ulrich John vom Gaststättenverband Bayern. Da unten leben die Wirte schon zwei Jahre mit einem strengen Rauchverbot, und die Zahlen sind nicht schön.
Umfrage unter Wirten: Rauchverbot führe zu Umsatzrückgang
Eine Studie unter Wirten der „getränkeorientierten Kleingastronomie“ ergab: Jeweils rund zwei Drittel sagen, sie hätten weniger Gäste, diese Gäste blieben kürzer, und der Umsatz sei drastisch gesunken. 32 Prozent haben Beschäftigte entlassen oder deren Arbeitszeit verkürzt, 48 Prozent kennen Wirte, die aufgaben oder daran denken. Die Studie kommt vom Gaststättenverband, doch ist der in Bayern kein Klub von Raucher-Ultras.
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Tabak, Schweiß und Tränen
Bayerns Wirklichkeit ist Ruhrgebiets Sorge, wenn man sich dann durchfragt. „Die Politik radiert einen ganzen Gewerbezweig aus“, sagt Ortrud Taubert aus Herne (Ortrud’s). „Ein Rauchverbot, dann werden wir schließen“, sagt Andreas Mais in Essen (Die Alm). Und Martin Mettlach aus Dinslaken (Hinz&Kunz) sieht noch etwas anderes aufziehen – den Geruch von Schweiß: „Bleibt der Tabak weg, riecht das wie in der Turnhalle.“
Zurück im „Alt-Riemke“, sagt Christian Heupel gerade: „Wenn jetzt Helmut Schmidt an der Regierung wäre, dann wäre das Thema niemals aufs Tablett gekommen.“ Zurück in die 70er-Jahre.