Medebach. Anderthalb Jahre ist es her, da schaute die Welt auf das Dorf Oberschledorn – berühmt für einen Tag. In einem Ferienhaus hatten hier drei Terroristen Bomben gebaut. Ab Mittwoch steht die Sauerland-Zelle vor Gericht. In Oberschledorn ist nach dem Terror-Alarm längst wieder Ruhe eingekehrt.

An der Kreuzung von Petrus-Cramer-Straße und Mühlheide standen Streifenwagen kreuz und quer, die Journaille fragte jedermann nach seiner ahnungslosen Meinung, und kopfschüttelnde Sauerländer sagten Sätze wie: "Ein Schuss im Ort, da kriegt man im ersten Moment schon einen Schreck." Kurz zuvor hatten Beamte der Polizeielite GSG9 hier ums Eck, im Eichenweg, drei junge Männer überrumpelt, die dort entschlossen Bomben bauten und sich für tolle Kerle hielten – freilich waren sie nicht die Hellsten.

"Darüber wird nicht mehr geredet"

Oberschledorn. Hinter den sieben Bergen, 18 Kilometer von Winterberg. Im April 2009 ist es wieder, wie es immer war: Eine Kirche, eine Volksbank und eine Sparkasse, ein Edeka, die Dorfschänke und der Lindenhof; ab und zu braust ein HSK-Trecker über die Straßen, dann wieder folgt ein Laster voller Baumstämme. Das Geschehen vom 4. September 2007, die Festnahme der Sauerland-Bomber, "spielt keine Rolle mehr, darüber wird nicht mehr geredet", sagt Willi Dessel. Der 52-jährige Holzfacharbeiter ist hier der Ortsvorsteher, ein kräftiger Mann, der nun gespannt den Prozessbeginn am 22. April erwartet: "Man will ja schon, dass die bestraft werden." Wenige Minuten später aber sagt er auch: "Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man es auch amüsant finden."

Ernst war es schon, was die Sauerland-Zelle plante: Sie gaben sich gegenüber dem arglosen Dortmunder Vermieter des Hauses am Eichenweg als Studenten aus, doch sie waren Terroristen, gelenkt von der "Islamischen Dschihad-Union". Auf der Grundlage von Wasserstoffperoxid bauten sie Bomben, um Autos explodieren zu lassen und so viele Menschen zu töten, wie es eben ging, möglichst Amerikaner. Dann würde sich, so die krause Idee, die Bevölkerung gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wenden. Später nannten die drei Mittzwanziger als Anschlagsziele Städte wie Dortmund und Düsseldorf. . .

Amateure, mit dem Willen zu morden

Allerdings war das "nicht so perfekt durchdacht, wie man sich das vielleicht vorstellt", so ein Sprecher des Generalbundesanwaltes zur Anklageerhebung: "In diesem Alter weiß man vielleicht noch nicht so genau, wo überhaupt Amerikaner sind." Eigentlich beschreibt er Amateure, wenn auch mit dem Willen, zu morden. Doch schon Monate vor der Verhaftung hatte die Polizei die Terroristen ausgemacht, beobachtete sie aus einem getarnten Wohnwagen heraus und hörte sie ab; ja sie stahl ihnen sogar das Wasserstoffperoxid unter den Hintern weg und ersetzte es durch ein ähnliches, indes garantiert nicht explosives Gebräu.

Der Eichenweg heute, eine Straße am Hang. Dem Haus gegenüber steht ein neuer, respektabler Kletterspielplatz, das Haus selbst hat die Rolläden herunter. "Wohin des Weges?", fragt die Nachbarin unvermittelt, die gerade vor ihr Haus tritt; wie sich im Verlauf eines aufgezwungenen Gesprächs herausstellt, hat sie die vage Vorstellung, weitere Terroristen könnten herkommen: "Wir wohnen hier mit sechs Leuten, und jeder hat ein Auge auf das Haus, da können Sie aber sicher sein."

Das denkbar unglücklichste Versteck

Kein Zweifel. Und so bleibt bis heute das Rätsel, wie die Terroristen auf die Idee kommen konnten, ihr streng geheimes Vorhaben in der überschaubaren Welt des Sauerlandes anzugehen. Es war das denkbar unglücklichste Versteck: 875 Einwohner, und gefühlt jeder dritte heißt Dessel! "Die hätten sich besser in Köln versteckt als hier, wo jeder jeden kennt", sagt Dessel, Willi, der Ortsvorsteher. Im Gerede waren sie ja schon, wenn auch nicht als etwaige Terroristen, wer sollte das denn ahnen? Drei junge Männer ohne Frauen, ging die misstrauische Rede damals, etwas angegammelt sind sie ja, und nacht-aktiv . . .

Oberschledorn merkte damals, dass etwas vorging, kam aber nicht darauf, was. Schließlich waren auch Polizisten im Ort, auch sie gaben sich aus als Studenten, aber im Lauf der Tage fiel dann doch auf, dass sie recht große Autos fuhren und durchweg sehr athletisch waren für Studenten. Am Tag nach dem Zugriff verschwand die GSG9 grußlos. Sie hat das später wieder gutgemacht, aber in der ,Westfalenpost' erinnert sich der Vermieter so daran, dass die Beamten sich nicht verabschiedeten, dass sie einfach die Schlüssel in den Briefkasten warfen: "Meine Frau hat sich aufgeregt, das glauben Sie nicht. Das ist doch keine Art!"

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