Hennef/Köln. . Jutta Neukirchen sammelt seit 45 Jahren Ostereier aus aller Welt. Eier mit eingesetzten Spruchbändern, Eier wie Medaillons und Eier mit floralen Motiven. Jedes ist ein Kunstwerk für sich – und erzählt eine Geschichte.
Jutta Neukirchen aus Hennef bei Bonn sammelt Ostereier aus aller Welt – aber nicht, weil sie bloß schön sind. Sondern weil sie Geschichte erzählen: „Das Ei hat schon in vorchristlicher Zeit eine immense Bedeutung, zumeist als Symbol für Geburt und Tod“, schildert die studierte Kunsthistorikerin.
Aufs Ei gekommen ist die heute 70-Jährige einst durch ihre Mutter Martha, die ihr Leben lang Eier gefärbt und verschenkt hat – egal, ob es Winter war oder Sommer. Das Handwerkszeug der Mutter hat die Tochter behalten: Stricknadel, Feile und Blasebalg. Farbenfroh sind alle Kunstwerke ihrer Sammlung, an der Jutta Neukirchen selbst nun auch schon seit beinahe 45 Jahren arbeitet. Dabei interessiert sie sich vor allem für die Zier-Technik. „Dieses Ei stammt zum Beispiel aus der früheren CSSR“, sagt Jutta Neukirchen und greift nach einem Enten-Ei: „Erst wurde es rot gefärbt, dann getrocknet und schließlich schwarz gefärbt. Dann wurde ein Muster in die Farbschichten gekratzt.“ Doch erst unter dem Lupenglas offenbart diese Maßarbeit ihre wahre Pracht. Auch Wachs oder ätzende Flüssigkeiten wurden verwendet.
Überhaupt sind es die Eier aus dem östlichen und süd-östlichen Europa, die ins Auge fallen. So malen die Ungarn Muster in bunten Farben auf die zerbrechliche Oberfläche. Eine ruhige Hand muss dagegen haben, wer in Polen ein Osterei verziert: Um ein Ei sind Wollfäden gewickelt, um ein anderes windet sich ein feines Kupfergeflecht und auf wieder einem anderen hat das Mark einer Binse als Druckmuster gedient. Heiligenfiguren sind in Russland beliebte Ostermotive, die auf Gänse- oder Straußen-Eier gemalt werden. Besonders stolz ist Jutta Neukirchen aber auf eine kleinere Nachbildung der Schwarzen Madonna von Tschenstochau (Polen).
Das Ei im Nylonstrumpf
Andere, eher weltlich dekorierte Eier aus der bisweilen kuriosen Sammlung tragen die Silhouetten von Erdbeerblättern, Efeu oder Fünffingerkraut. „Angedrückt werden diese Blätter, indem man das Ei in einen Nylonstrumpf schiebt“, beschreibt Jutta Neukirchen die Arbeit am Oval. Eines aus der Ukraine trägt ein Strohgewand auf schwarzer Schale, ein anderes ein Hufeisen aus Blei. „Wie das auf die Schale gekommen ist, kann ich mir nicht erklären“, bedauert die Fachfrau. Ebenso gibt jenes Ei, das rundherum kunstvoll und filigran bestickt worden ist, ihr Rätsel auf.
Deutsche Eier erinnern dagegen an Medaillons aus der Biedermeierzeit, sie tragen die Motive üppiger Frauen.
Jüngeren Datums und vermutlich die Erfindung eines Zahnarztes sind perforierte Muster, die sich durch die empfindliche Hülle gefressen haben, „vermutlich mit Hilfe eines Bohrers“. Ein technisches Wunderwerk beherbergt ein Gänse-Ei: Nahezu einen Meter misst ein Spruchband, das sich aus ihm ziehen lässt. Dass das Ei selbst Fläche genug für manchen Sinnspruch bietet, versteht sich: „Auch wenn der Hoffnung Anker bricht, verzage nicht“ ist eine der kürzesten Weisheiten, die in altdeutscher Schrift Platz gefunden haben auf der Schale. Wer so etwas lesen will, der braucht ein gutes Auge, besser noch eine Lupe. Und wer noch einmal genau hinsieht, entdeckt unter der ganzen Eierpracht von Jutta Neukirchen sogar ein Weihnachtsei.
Das Fabergé-Ei
Übrigens: Wer sagt, dass er ein Fabergé-Ei besitze, der muss kein Kunstdieb sein. „Von 1989 bis 2009 besaß eine Pforzheimer Juwelierwerkstatt die Erlaubnis, den Stempel Fabergés zu benutzen“, so Jutta Neukirchen. Carl Peter Fabergé hatte zwischen 1885 und 1917 Juwelen besetzte Eier für den russischen Zaren Nikolaus II. gefertigt. Doch eine solche Preziose hat die Mutter ihrer Tochter nicht hinterlassen.