Essen. . Mit weißen Masken mischte sich eine Gruppe am Rosenmontag unter die Karnevalisten in Essen. Später stellte sich heraus: Es handelte sich dabei um die „Unsterblichen“, bislang eher im Osten bekannt. Sie kopieren Aktionen der Occupy-Bewegung. Hinter der neuen Maskerade stecken jedoch die alten Nazis.

Ihre Kennzeichen sind weiße Masken und eine braune Gesinnung: „Die Unsterblichen“ waren zunächst in Ostdeutschland aktiv, treten in jüngster Zeit aber auch in den westlichen Städten in Erscheinung – zuletzt kaperten sie den Rosenmontagszug in Essen.

So kurz und rätselhaft war der Auftritt, dass viele Schaulustige zunächst gar nicht realisierten, wer sich da unter die Narren mischte: Nur wenige Minuten lief ein etwa 20 Mann starkes Trüppchen mit einem Transparent („Aufwachen! Die Demokraten bringen uns den Volkstod“) die Zugstrecke entlang, tauchte dann offenbar in einem U-Bahnhof ab. Zurück blieben Flugblätter mit kruden Parolen und einem Hinweis auf die Internetseite der „Unsterblichen“. Passanten, die diese anklickten, informierten später die Polizei: Denn auf der Seite wird vor dem „Schandwerk der Demokraten“ und gefährlicher „Völkervermischung“ gewarnt.

Die Essener Polizei fand bislang zwar keine „strafrechtlich relevanten Inhalte“, behandelt den Vorfall aber dennoch mit höchster Priorität; der Staatsschutz ermittelt. Bislang zogen die „Unsterblichen“ bevorzugt des Nachts durch Kleinstädte in Sachsen und Brandenburg; verborgen hinter den Masken, bewaffnet mit Fackeln. Später landeten die Fackelmärsche mit kämpferischer Musik unterlegt bei „Youtube“.

Masken erinnern an das "Guy Fawkes"-Gesicht

Mit Auftritten in westdeutschen Städten erwecken die „Unsterblichen“ jetzt den Eindruck, hier breite sich eine neue, wachsende Neonazi-Bewegung von Ost nach West aus. Der Dortmunder Autor und Kenner der Szene, Olaf Sundermeyer, hält das für Unfug: Es handle sich um alte Bekannte, die eine moderne Aktionsform gefunden hätten.

„Die kopieren geschickt Gruppen wie Globalisierungskritiker oder Occupy-Bewegung, bemächtigen sich ihrer Organisationsformen und nutzen wie sie das Internet“, so Sundermeyer. Sogar die weißen Masken erinnern an das „Guy-Fawkes“-Gesicht, das viele Occupy-Demos prägt.

Verabredungen im Internet

Die im Internet verabredeten Aktionen bescherten Teilnehmern ein Gemeinschaftserlebnis: „Das ist ein Kick für die, besonders wenn sich ihr Auftritt über Youtube und Facebook verbreitet.“ Die Maskerade erschwere einerseits die Strafverfolgung, so Sundermeyer: Andererseits mache sie die „überschaubare Zahl“ von Neonazis im Revier zum Teil eines größeren, wiedererkennbaren Netzwerkes.

Masken und Methoden dieses Netzwerkes haben Neonazis vom „Widerstand Südbrandenburg“ ersonnen, der seit geraumer Zeit unter staatlicher Beobachtung steht. „Die sind innovativ und erfinden regelmäßig neue Aktionsformate, die bundesweit kopiert werden“, sagt Winfriede Schreiber, die die Abteilung Verfassungsschutz im Brandenburgischen Innenministerium leitet. Es handele sich um eine Art rechtes Franchise-System.

Faschingsumzüge gekapert

Schon vor Jahren hätten die „Südbrandenburger“ Dorffeste und Faschingsumzüge gekapert. Deshalb hält Winfriede Schreiber eine Berichterstattung über die braune Truppe für hilfreich. „Wir mussten damals betroffene Gemeinden erstmal informieren, wer da bei ihnen auftrat.“ Viele hätten an harmlose Spaßaktionen gedacht. Und tatsächlich haben sich die braunen Trupps ja bei der bunten Netzgemeinde und deren Flashmobs bedient.

Man habe es eben nicht mit dumpfen Glatzen zu tun, „sondern mit gut ausgebildeten, intelligenten Leuten“, so Schreiber. „Bloß inhaltlich ist es noch immer der alte Nationalsozialismus. Deswegen beobachten wir mit Sorge, wenn sie mit attraktiven Auftritten junge Menschen gewinnen.“