Essen. Wer im zivilrechtlichen Streit eine schnelle Lösung will, geht zum Vermittler. Ein neues Gesetz erleichtert das. Es soll die Mediatoren stärken und die Justiz entlasten.
„Trennungen“, sagt der Anwalt Jürgen Brinkamp, „sind selten sanft. Häufig fließen Tränen.“ Das kommt auch vor, wenn in seiner Düsseldorfer Kanzlei ein Paar sitzt, das sich scheiden lassen will. Es sind Sachen zu klären wie Sorgerecht, Unterhalt, Zugewinnausgleich oder die Aufteilung von Vermögen. Aber das Paar ist freiwillig hier. Es will keinen Richterspruch, dem es sich beugen müsste. Es will eine gemeinsame Lösung des Scheidungs-Konflikts beim unabhängigen Vermittler.
Jürgen Brinkamp ist so ein Anwaltsmediator. Er ist das seit 1998. Mediatoren sind zu einer Institution geworden, besonders im Ehe- und Familienrecht. Die Bundesregierung will sie attraktiver machen, um überlastete Gerichte zu entlasten. Das Ziel: Bevor Bürger klagen, könnten sie in vielen Fällen die Einigung im Gespräch unter sechs Augen suchen. Bund und Länder feilschen noch um letzte Details, vor allem um die gerichtsinterne Mediation. Der grundsätzliche Kurs aber ist vorgegeben.
12,5 Milliarden Euro gibt der Steuerzahler alljährlich für die Rechtspflege aus. Sie ist aber nicht nur teuer, sondern auch schwerfällig. Jedes Jahr werden in Deutschland 1,2 Millionen Zivilprozesse geführt – Streitfälle um Familiendinge und Schadenersatz, Auseinandersetzungen zwischen Firmen und zwischen Bestellern und ihren Lieferanten. In 222 000 Verfahren geht es dabei um Bagatelldinge mit einem Streitwert von 300 Euro. Solches Kleinklein blockiert die Gerichte. In Nordrhein-Westfalen liegen Kammern und Einzelrichter mit 112 Prozent Auslastung über dem Limit.
Das Gesetz soll deshalb den breiten Einsatz der „außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ fördern und erstmals schärfere Grenzen zwischen Mediation und Zivilprozess ziehen, auch, um den Aktenstau bei Gericht abzubauen. Für die Vermittler sieht die Bundestagsvorlage 17/5335 künftig berufliche Mindestanforderungen vor, denn sie müssen nicht unbedingt Juristen, sondern können auch Psychologen sein. Ihnen wird Verschwiegenheitspflicht auferlegt. Die Ergebnisse der Mediation erhalten mehr Kraft und können besser vollstreckt werden. Vor allem: Berlin will die Vermittlertätigkeit stärker auf weitere Rechtsgebiete ausdehnen, auf das Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialrecht.
Die neue Streitkultur
Für den Bürger, der Recht sucht, ist „die neue Streitkultur“, wie ihre Anhänger die Mediation nennen, nicht unbedingt billiger. Die Stunde kostet zwischen 150 und 200 Euro netto Honorar, einen staatlichen Zuschuss ähnlich der Prozesskostenhilfe sehen auch die neuen Regeln nicht vor. Aber wer die gemeinsame Konfliktlösung nutzt, kürzt sein Verfahren in den meisten Fällen deutlich ab.
„Zehn bis fünfzehn Stunden“ Gespräch zwischen den Parteien seien durchaus möglich, sagt der Anwaltsmediator Brinkamp – um dann, vielleicht nach zwei Monaten, einen Abschluss zu erzielen mit einer Erfolgsquote, die zwischen 75 und 80 Prozent liegt. Gerichte brauchen selbst für einfache Familiensachen auch mal ein Jahr.
Umfragen zeigen, dass der Wunsch nach neuen Lösungsmethoden in rechtlichen Konflikten zunimmt. Das Institut Allensbach hat ermittelt, dass 46 Prozent der Bundesbürger glauben, mit Mediation lasse sich Streit besser beilegen. Vielleicht hat die verbreitete Urangst der Bürger vor Gerichtssälen damit zu tun.
Auch mal streng
67 Prozent empfinden den Gedanken, in einen Prozess verwickelt zu werden, als unangenehm oder sehr unangenehm, auf jeden Fall: als besser zu meiden. Vor allem Frauen denken so. Dabei können Vermittler wie Jürgen Brinkamp durchaus auch mal streng werden. Das dauere zwar, sagt der Rechtsanwalt. „Aber wenn es zu Beleidigungen kommt, dann gehe ich schon dazwischen.“