Gladbeck.

Die Familie ist völlig entzweit. Im Erbstreit ist keine Lösung in Sicht. Ein Fall fürs Gericht – oder für den Mediator.

Mediation, die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Mitte Dezember letzten Jahres hat der Gesetzgeber das neue Mediationsgesetz verabschiedet. Ein Ziel: die Entlastung der Gerichte. In der breiten Öffentlichkeit ist die Rolle von Mediatoren noch weitgehend unbekannt. Klaus Reichwein hat sich an der Hochschule Wismar zum Mediator FH ausbilden lassen. Im Gespräch mit der WAZ will der 54-Jährige zur Aufklärung beitragen.

Herr Reichwein, bei welchen Streitigkeiten ist eine Mediation sinnvoll?

Diese Art der Konfliktlösung kann in allen Bereichen helfen – bei Trennung und Scheidung ebenso wie bei Nachbarschaftstreit, Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz, Konflikten mit Geschäftspartnern oder Schadensregulierung mit Versicherungen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Der klassische „Kleinkrieg“ zwischen Nachbarn ist doch eigentlich ein typischer Fall für den Schiedsmann. Tritt der Mediator als Konkurrent auf?

Es gibt Unterschiede. Schiedsleute arbeiten ehrenamtlich in ihrer Freizeit und bearbeiten in der Regel Bagatellsachen bzw. Streitigkeiten mit geringem Streitwert. Mediationen sind deutlich komplexer. Schlichtungen bewegen sich im juristischen Rahmen des bundeslandspezifischen Schlichtungsgesetzes. Mediatoren sind in der Ausgestaltung der Verfahrensstruktur frei. Ein Schiedsspruch ist bindend und vollstreckbar, das Ergebnis einer Mediation kann auch vollstreckbare Komponenten enthalten, muss aber nicht.

Was genau geschieht im Rahmen einer Mediation?

Das variiert natürlich von Fall zu Fall. Immer aber führt der Mediator mit den Kontrahenten Vorgespräche, um beide Standpunkte kennenzulernen, den Konflikt zu verstehen. In den anschließenden gemeinsamen Runden gilt es dann, die Probleme ganz offen anzusprechen, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen klar herauszuarbeiten. Da kann es auch schon mal sehr emotional zugehen. Manchmal muss der Mediator als „Übersetzer“ auftreten, das heißt: Kontrahenten reden häufig aneinander vorbei. Manches wird dem Gegenüber deutlicher, wenn der Mediator es in andere Worte kleidet. Er bietet auch Rollenspiele an, um einen Perspektivenwechsel zu erreichen. So erleben die Kontrahenten jeweils die Position des Anderen. Auf dem Weg zum Ziel gibt es die unterschiedlichsten Techniken.

Am Ende soll eine Einigung stehen. Klappt das immer?

70 bis 80 Prozent der Fälle enden positiv – und zwar für beide Seiten. Gewinner und Verlierer gibt es nicht. Und das Schöne daran ist: An der Lösung arbeiten die Kontrahenten unter Mitwirkung des Mediators gemeinsam und in der Regel sehr aktiv. Sobald sie bemerken, dass sie bei der Konfliktbewältigung auf einem guten Weg sind, werden viele geradezu euphorisch. Am Ende steht eine Mediationsvereinbarung, deren Verbindlichkeit alle Beteiligten per Unterschrift dokumentieren.

Wann stößt die Mediation an ihre Grenzen?

Natürlich gibt es auch unlösbare Fälle. Meistens sind das Konflikte, deren Wurzeln weit zurück liegen, oder Auseinandersetzungen, in denen die Aggressionen so groß sind, dass sinnvolle Gespräche nicht mehr möglich sind. Mediatoren sind schließlich keine Therapeuten.