Dortmund. Schon wieder starb ein Mensch durch ausströmendes Kohlenmonoxid. Die Verletzten sind aus Dortmund in eine Düsseldorfer Spezialklinik gebracht worden und werden in einer Überdruckkammer behandelt. Nach den Unfällen der vergangenen Wochen sind die Kapazitäten der Einrichtung ausgelastet.

Aus den Rettern in der Not wurden Opfer. Sie wollten helfen und brauchten plötzlich selbst Hilfe – nicht alle bekamen sie: Sieben der 15 durch das gefährliche Gas Kohlenmonoxid (CO) Verletzten aus Dortmunddarunter drei Feuerwehrleute und zwei Notärzte – hat die Uniklinik Düsseldorf gestern aufnehmen können. Damit waren die Kapazitäten der landesweit einzigen Einrichtung für die Notfalltherapie bei einer CO-Vergiftung mehr als erschöpft.

Wie es zu dem tödlichen Vorfall im Dortmunder Stadtteil Eving kam, war gestern noch völlig unklar. Der Sohn hatte seine 72-jährige Mutter in dem Mehrfamilienhaus gefunden; für die Seniorin kam jede Hilfe zu spät. Bei dem Rettungseinsatz wurden auch zwei Polizisten und fünf Feuerwehrleute durch das Einatmen des Gases verletzt; der Sohn sowie acht Nachbarn erlitten eine Vergiftung.

Düsseldorfer Spezialklinik ist ausgelastet

Mit der Tragödie in Dortmund erhöht sich die Zahl der CO-Toten in NRW binnen ei­ner Woche auf drei. In Hamm kamen unlängst zwei Jungen (18, 20) einer Familie ums Leben. Die Zahl der Verletzten schnellt im gleichen Zeitraum auf 24: fünf Mitglieder der Familie aus Hamm, eine vierköpfige Familie aus dem sauerländischen Lüdenscheid und gestern die 15 Dortmunder. „Die Grenzen unserer Kapazität sind erreicht“, schlägt Hartmut Strelow, Leiter der Düsseldorfer Druckkammer, laut Alarm.

Der Tod kommt unsichtbar. Auf leisen Sohlen. „Kohlenmonoxid ist farblos, geruchlos und geschmacklos“, beschreibt Hartmut Strelow die Gefahr. Das giftige Gas entsteht, wenn Holz, Kohle, Öl oder Erdgas unvollständig verbrennen. Wer es unbemerkt einatmet, ist dem Tod geweiht. „Weil es 250-fach leichter als Sauerstoff ist, bindet sich Kohlenmonoxid auch viel schneller an die roten Blutkörperchen“, erklärt Strelow den fatalen Vorgang. Der Sieger im Verdrängungswettbewerb, der im menschlichen Körper tobt, steht von Beginn an fest: das Kohlenmonoxid. Dem Menschen geht der lebenswichtige Sauerstoff aus. Bis das Gehirn abschaltet. Endgültig.

Abluft der Gasheizung war kaputt

Als „erdrückendes Gefühl“ beschreibt Ingmar G. aus Lüdenscheid die bedrohlichen Anzeichen der Vergiftung. Gefasst und ruhig blickt der 43-jährige Familienvater inzwischen auf die Samstagnacht zurück, die seine Familie beinahe das Leben gekostet hätte. „Die Abluft der Gaszentralheizung funktionierte nicht, hat die Kripo mittlerweile festgestellt“, berichtet Ingmar G. Vermutlich drückte die eisig kalte Nachtluft über der Kreisstadt die Rauchgase in den Schornstein zurück.

Die Folge: Die Doppelhaushälfte der Familie füllt sich mit CO. „Wir haben uns immer schlapper gefühlt, obwohl wir die Fenster zum Lüften aufgemacht haben“, erinnert sich Anja G.. Ihr Mann macht daraufhin das einzig Richtige: Er greift zum Telefon und ruft die Feuerwehr zu Hilfe.

Kohlenmonoxid-Opfer werden wahrscheinlich keine Spätschäden davon tragen

Die Familie – die Eltern und ihre sechs- und siebenjährigen Söhne – kommen nach Düsseldorf in die Uniklinik. „Gerade noch rechtzeitig“ kommt die Familie an, erinnert sich Hartmut Strelow, der mittlerweile versprechen kann: „Zu 99 Prozent werden sie keine Folgeschäden davon tragen.“

In der Düsseldorfer Überdruckkammer behandelt die Uniklinik Patienten mit der „hyperbaren Sauerstofftherapie“, kurz: HBO. Dabei atmen die Patienten in der Überdruckkammer durch eine Maske reinen Sauerstoff ein. „Durch den hohen Druck wird der Sauerstoff im Blut vermehrt physikalisch gelöst, etwa wie die Kohlensäure in ei­ner ungeöffneten Mineralwasserflasche“, erklärt der Kammerleiter.

Während der HBO-Therapie kann „die 20-fache Menge Sauerstoff im Blut transportiert werden“. Der CO-Gehalt sinkt entsprechend schneller. Was wichtig ist, „um neurologische Folgeschäden zu verhindern“, sagt Strelow. Die treten „zwischen sechs Wochen und bis zu drei Monate“ später auf: Bewegungs- und Sprachstörungen, Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Herzrhythmusstörungen oder Parkinson. „Diese Spätfolgen sind irreversibel: Sie können nicht mehr geheilt werden.“