Gladbeck. Gladbeck zieht die Lehre aus den Fehlern von Stuttgart 21 und wagt mehr Beteiligung. Über den Ausbau der Autobahn 52 dürfen nun die Bürger abstimmen. Der Rat der Stadt gab seine Entscheidungsgewalt zu diesem Thema ab.

Die Gladbecker Lokalpolitik will mehr direkte Demokratie wagen und aus den Fehlern von „Stuttgart 21“ lernen: Über den Ausbau der B 224 zur A 52 entscheidet jetzt das Gladbecker Volk. Am Donnerstag entschied der Stadtrat mit breiter Mehrheit – nötig waren zwei Drittel –, dass es zu einem Ratsbürgerentscheid kommen wird. Bürgermeister Ulrich Roland (SPD): „Wir geben als Rat die Macht ab und verzichten auf eine eigene Entscheidung.“

Auf Gladbeck rollt damit ein A-52-Straßenwahlkampf zu. 58 000 Wahlberechtigte sollen voraussichtlich am 25. März die Frage beantworten, ob Gladbeck sich mit zwei Millionen Euro an der Finanzierung eines 1,5 Kilometer langen Tunnels mitten durch die Stadt beteiligen soll. Und ob sie damit einer weiteren A-52-Ausbauplanung zustimmen.

Zur Vorgeschichte: Nach jahrzehntelangem Hin und Her hatten die Politiker aus Stadt, Land und Bund am 19. Dezember im Gladbecker Rathaus den Knoten platzen lassen: Sie präsentierten eine ­A-52-Kompromisslösung, deren Herzstück der Tunnel ist. 1,5 Kilometer Länge als Ausbau-Angebot hatte im Vorfeld kaum jemand mehr für möglich gehalten. 100 Millionen Euro will der Bund investieren; 10 Millionen Euro kommen vom Land NRW für die städtebauliche Integration der Trasse, davon übernimmt die Stadt die besagten zwei Millionen Euro.

Viele Streitpunkte in der Stadt

Ein 2009 vom Gladbecker Rat formulierter Forderungskatalog konnte jedoch in mehreren Punkten nicht vollständig durchgesetzt werden – und so begann am 19. Dezember eine vehemente Autobahndiskussion in der Stadt.

Ein Kernpunkt dabei ist das künftige Kreuz der A 2 mit der neuen A 52, das einen so genannten Überflieger erhalten soll, der den Verkehr aus Richtung Essen auf die A-2-Fahrbahn Richtung Oberhausen bringt. Kritiker aus den Reihen der A-52-Bürgerinitiativen und der Umweltschutzverbände sehen das direkt benachbarte Naherholungsgebiet Wittringen bedroht und sprechen schon von einer „Monster-Achterbahn“.

Eine weitere Kontroverse dreht sich darum, dass für das Gladbecker Gewerbegebiet Brauck die Direktanbindung an den Fernverkehr wegfällt; es soll über eine Parallelstraße von Bottrop aus an die neue Autobahn angebunden werden. Auch die künftige Verkehrssituation in der Stadtmitte sorgt für erbitterte Auseinandersetzungen: Auf dem Dach des künftigen A-52-Tunnels soll eine so genannte Stadtallee entstehen; doch schon diese Bezeichnung stellt für die Ausbau-Gegner eine eklatante Verharmlosung dar: Hier entstehe keine ruhige Stadtallee, sondern ein Autobahnzubringer, der zwischen den künftigen beiden A-52-Halbanschlüssen den Stadtverkehr verteile.

Gladbecks Bürgermeister Roland nutzt seit Mitte Dezember jede öffentliche Gelegenheit, um für die Ausbaupläne zu werben. Das Projekt sei ein „Jahrhundertprojekt“, das die Chance biete, die durch die B 224 geteilte Stadt wieder zusammenwachsen zu lassen. Unterstützung erhält der Bürgermeister auch von der regionalen Wirtschaft, vom DGB und von der örtlichen IGBCE – und von vielen Bürgern, die ihn immer wieder ermutigen würden, wie er betont.

Oberbürgermeister will kein „Gladbeck 21“

Oberbürgermeister Roland weist aber stets auch darauf hin, dass es zu keinem „Gladbeck 21“ kommen dürfe. Deshalb sei der Ratsbürgerentscheid das geeignete Mittel, um über das Projekt mit seinen weit reichenden Folgen abzustimmen.

Aufmerksam beobachten auch die Nachbarstädte die Entwicklung. Ohne ein grünes A-52-Signal aus Gladbeck wird es auch auf Bottroper Gebiet keinen Ausbau geben. Und danach fehlt immer noch der Essener Lückenschluss.