Duisburg. . Ein Konferenztisch im Container in einem Duisburger Hinterhof. Hier tagt die Krisenrunde der Kindernothilfe. Sie unterstützt die hungernden Menschen am Horn von Afrika. Ein Blick hinter die Kulissen der Duisburger Hilfsorganisation.
„Afrika“ ist eine karge Kammer, ein Konferenztisch im Container in einem Duisburger Hinterhof. Hier tagt die Krisenrunde der Kindernothilfe, mehrmals wöchentlich seit dem 12. Juli, dem Tag, nachdem die Welt ihre „schlimmste Katastrophe“ entdeckte: den Hunger am Horn von Afrika!
Natürlich haben sie hier schon eher davon gewusst, aber Hilfsorganisationen brauchen die Bilder im Fernsehen, das öffentliche Entsetzen und natürlich auch das Mitleid. „Diese Geschichte bewegt viele, und das ist auch gut so“, sagt Gerd Heidchen: Er ist der Leiter Spendenservice.
In „Afrika“ sitzt er jetzt zusammen mit anderen Referatsleitern, mit dem Finanzchef, der ein Auge auf die Konten hat, mit der Kollegin, die die Bittbriefe verschickt, mit den Frauen, die die Anträge bearbeiten. Die Frau, die frühere Großspender anruft, ist gekommen und die, die Unternehmen um Hilfe fragt – und natürlich ist Wiebke Weinandt da, eben noch zuständig für Kenia und Malawi, plötzlich Projekt- und Programmkoordinatorin Somalia. Man bringt einander auf Stand. Und muss in dieser Woche erfahren: Die „schlimmste Katastrophe“ ist noch schlimmer.
Sicherheitslage „sehr kritisch“
Wiebke Weinandt hat mit Mogadischu telefoniert, Dietmar Roller ist jetzt da, ein altgedienter Fahrensmann der Kindernothilfe und Afrika-Kenner. Sie haben ihn gleich nach ihrem ersten Treffen ans Horn geschickt, zuerst war er im Lager in Äthiopien, er hat von dort furchtbare Bilder gesendet und ebensolche Berichte – und nun sagt er: „Mogadischu ist sehr viel schlimmer.“ Die Sicherheitslage sei „sehr kritisch“, die zerbombte Stadt voller obdachloser Flüchtlinge und dann dieser „unbekannte Grad der Unterernährung“. Es ist eine nüchterne Sprache, in der Weinandt referiert, sie benutzt Abkürzungen, Fachbegriffe, vieles ist englisch; sie müssen professionell mit dem Elend umgehen.
Den Antrag der Duisburger, im Lager Dolo Ado Kinderzentren einzurichten, hat die UN-Flüchtlingshilfe abgelehnt, zu viele wollen hier schon helfen; sie werden jetzt die umliegenden Ortschaften unterstützen: 15 000 Kinder und 7000 Stück Vieh. Den Menschen sterben die Tiere weg, man muss nicht nur die Kinder ernähren, sondern auch die Kühe und Ziegen ... wie sagt man da: „füttern“? Es wird gelacht am Tisch, ein nervöses Lachen, irgendwo muss die Anspannung hin.
„Die Million haben wir jetzt“
Was machen die Anträge aus Mogadischu, das Internet geht ja nicht immer, die örtlichen Partner haben schon mal angefangen, es gibt Waren bei den heimischen Händlern zu kaufen, eine große Firma will zu Spenden aufrufen, ist „das blöde Flugzeug“ endlich in der Luft? Am Telefon sind besorgte Spender, „die Million haben wir jetzt“, es fehlen noch Kennziffern für die Konten, und wie viel Geld kommt von Auswärtigem Amt und Entwicklungshilfe-Minister? Sie nennen sie „unsere Ministerien“. Zwei Millionen brauchen sie mindestens, „die Aufwendungen müssen ja mit den Spenden übereinkommen“.
Jemand sagt, sie können eben nur mit Geld helfen, aber natürlich ist vergangene Woche schon wieder jemand da gewesen, säckeweise Kinder-Spielzeug unter dem Arm. Wie sollten sie die „da runter“ kriegen? Kein Entwicklungshelfer reist mit einzelnen Tüten.
„Schwieriges Pflaster“
Somalia, das ahnte man schon, ist „ein ganz schwieriges Pflaster“, jetzt läuft „die heiße Phase“. Montag werden sie sich erneut treffen, dann „wird die Lage schon wieder eine andere sein“. Und daheim im Ruhrgebiet ist „eine blöde Zeit“, Ferien: Da sind viele Spender in Urlaub und die Arbeitskreise, die sonst an Infoständen sammeln könnten, auch. Eine gute Nachricht gibt Gerd Heidchen der Krisenrunde auf den Weg: Am Sonntag werden die evangelischen Kirchen in Rheinland und Westfalen zu Spenden aufrufen. Und noch eins: Macht mal vor der Dunkelheit Feierabend, mahnt Rolf-Robert Heringer, der stellvertretende Vorstandschef der Kindernothilfe. „Wir müssen mit unseren Kräften haushalten. Das hier wird uns noch eine Weile beschäftigen, das geht nicht nächste Woche vorbei.“