Gladbeck. Was mit einem Anrufbeantworter und viel Idealismus begann, ist heute eine Institution: die Gladbecker Frauenberatungsstelle. Als das Team vor 25 Jahren antrat, galt häusliche Gewalt vielen als Privatproblem. Diese Haltung hat sich geändert - die Fälle werden dennoch nicht weniger.

Sie haben klein angefangen, damals, in den 80er Jahren – ohne Räumlichkeiten, ohne Geld, ohne Erfahrung. Dafür war die Motivation groß, der Wunsch zu helfen noch größer. So beginnen Erfolgsgeschichten und tatsächlich: Was vor 25 Jahren mit einem Notruftelefon für Frauen seinen Anfang nahm, ist heute eine professionell arbeitende Institution. Dabei wünschen sich die Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle doch nur eins: Sie wollen irgendwann überflüssig werden.

Energie und Tatendrang

Marianne Wüstefeld lässt ihren Blick nachdenklich durch die Büroräume schweifen. Vor zwei Jahren sind sie hier eingezogen, in die großzügigen Räumlichkeiten an der Grabenstraße, die hell, freundlich und bunt dekoriert vor allem eins vermitteln sollen: Sicherheit. Manchmal kann die Gladbeckerin selbst kaum glauben, was sie mit ihren Mitstreiterinnen über die Jahre erreicht hat. „Das ist bestimmt sooooo ein Paket”, sagt sie lachend und breitet die Arme aus – so weit sie kann.

Sie war von Anfang an mit dabei, ist heute erste Vorsitzende des Vereins und sprudelt noch immer vor Energie und Tatendrang. „Wir sind unglaublich stolz darauf, dass es uns gelungen ist, in Gladbeck ein Netzwerk zu schaffen, dass sich aktiv mit der Gewaltproblematik auseinandersetzt. Nur durch die Zusammenarbeit von Polizei, Jugendamt, Gerichtsbarkeit und Frauenberatungsstelle kann es dauerhaft gelingen, die Situation von Frauen und Mädchen in unserer Stadt zu verbessern.”

Die Polizei hielt sich oft zurück

Das war nicht immer so. „Wir hatten anfangs nur einen Anrufbeantworter, auf dem wir die Nummern der diensthabenden Frauen hinterlassen haben”, erinnert sich Marianne Wüstefeld. „Und wenn dann ein Notruf einging, sind wir meistens selbst raus gefahren und haben versucht zu helfen.”

Ein riskantes Unternehmen, doch auf Unterstützung der Polizei warteten die Frauen oft vergebens. „Von Seiten der Ordnungshüter wurde unsere Arbeit anfangs nicht sehr geschätzt”, berichtet Wüstefeld kopfschüttelnd. Die Ignoranz der Beamten von einst – sie kann sie noch immer nicht begreifen. „Familienstreitigkeiten gehen uns nichts an, lautete damals der Tenor. Doch damit kann sich dank dem Gewaltschutzgesetz von 2002 heute niemand mehr herausreden.”

Die Zahl der Beratungen ist stark gestiegen

Zurückgegangen sei sie dennoch nicht, die häusliche Gewalt, die hinter unscheinbaren Fassaden, weißen Spitzenvorhängen und geschlossenen Türen stattfindet, im eigenen Heim – dort, wo frau sich sicher fühlen sollte. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: 162 Gladbeckerinnen suchten im vergangenen Jahr Rat bei der Frauenberatungsstelle, weil sie Opfer physischer oder psychischer

Gewalt geworden waren. Der Täter war meist der eigene Lebensgefährte. „Seit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes hat sich die Zahl unserer Gewaltberatungen quasi verdoppelt”, berichtet Marianne Wüstefeld. „Doch wir versuchen das positiv zu sehen. Denn ein derartig hoher Beratungsbedarf zeigt auch, dass die Frauen sich heute nicht mehr alles gefallen lassen, dass sie wissen, wo sie Hilfe bekommen können – ein Verdienst der Frauenberatungsstellen: Gemeinsam haben wir es geschafft, die Öffentlichkeit für das Thema häusliche Gewalt zu sensibilisieren.” Dabei sei Gewalt kein Unterschichtenproblem: „Zu uns kommt die Arztgattin genauso wie die Hartz-IV-Empfängerin, wir beraten Rechtsanwältinnen und Hausfrauen – häusliche Gewalt kommt in den besten Familien vor.”

Viele schöne Momente

Es ist die dunkle Seite zwischenmenschlicher Beziehungen, mit der die Mitarbeiterinnen täglich konfrontiert werden, die Seite, die eigentlich niemand sehen will. „Das kann manchmal ganz schön belastend sein”, räumt Marianne Wüstefeld ein, dann lächelt sie. „Aber es gibt auch viele schöne Momente. Wenn eine Frau plötzlich wieder Hoffnung hat, wenn wir ihr ein Stück Kraft geben konnten, wenn sie plötzlich wieder lächeln kann – das gibt einem auch nach 25 Jahren noch unglaublich viel.”