Essen. . An Gutachten zum Stillstand auf den Straßen in NRW mangelte es bisher nicht - nun liegt ein neues vor. Minister Voigtsberger will den Verkehrs mit verbessertem Baustellen-Management und der Freigabe von Standstreifen beflügeln

Der Stapel der Gutachten wächst, aber die Staus in NRW wurden bisher nicht weniger. Die Studie, die Verkehrsminister Harry Voigts­berger (SPD) gestern vorstellte, schlägt im Kampf gegen den Dauerstau vor allem die zeitweilige Freigabe von Standstreifen, flexibles Baustellen-Management und eine neue Verkehrsleitzentrale vor.

Stehender und zähfließender Verkehr werden weit mehr durch Baustellen verursacht als bisher angenommen – in jedem zweiten Fall. Weitere 40 Prozent entstehen an Knotenpunkten, „nur“ zwölf Prozent durch Unfälle. Insgesamt ist das Autobahnnetz sehr ungleich belastet: allein 25 Prozent aller Staus in NRW zählten die Gutachter an nur drei Stellen: auf der A 40 zwischen Essen und Bochum sowie dem Ring Köln-Ost und Köln-West.

Professor Justin Geistefeldt (Uni Bochum) listet 25 Engpässe auf, die 75 Prozent des Staus produzieren. Dazu zählen die A 3 zwischen Oberhausen und Duisburg, die A 43 Bochum-Recklinghausen, das Kreuz Dortmund/Unna A1/A44, das Kreuz Breitscheid oder die A 40 zwischen Mülheim und Essen. Rechnerisch ist jeder Autobahnkilometer in NRW pro Jahr für rund 90 Stunden gestaut – die A 40 bringt es auf über 1000 Stunden jährlich. Hier werden wie am Kölner Ring bis zu 170.000 Fahrzeuge pro Tag gezählt.

Wo der Bau neuer Autobahnen unrealistisch scheint – Voigts­berger setzt auf sechsstreifigen Ausbau und Lückenschlüsse –, müssten Baustellen vor allem in Spitzenzeiten besser abgestimmt werden. „Baustellen lassen sich so planen, dass sie keinen Stau erzeugen“, behauptet Geistefeldt. Lkw-Überholverbote könnten den Verkehrsfluss entlasten.

Wir befragten zudem Rainer Hillgärtner, Sprecher des Auto Club Europa (ACE), nach weiteren Wegen aus dem Verkehrskollaps.

Ursachen für Staus

Normalerweise ist einer der Auslöser das erhöhte Verkehrsaufkommen, zum Beispiel zur Stoßzeit oder zu Ferienbeginn. In NRW stößt das Verkehrsaufkommen auf den Autobahnen dagegen bereits zu ganz normalen Zeiten an seine Kapazitätsgrenzen. Grob gilt in Deutschland die Formel: Ursachen für Staus sind zu jeweils einem Drittel erhöhtes Verkehrsaufkommen, Baustellen oder Unfälle.

Gegenmittel

Im Ruhrgebiet gibt es bereits das dichteste Netz von Autobahnen in Deutschland. Der Bau von neuen Trassen wäre deshalb gesellschaftlich nicht konsensfähig. In Metropolregionen wie dem Ruhrgebiet gilt deshalb die Strategie, vor allem den Berufsverkehr auf Bus und Bahn zu verlagern oder auf Fahrgemeinschaften. Hierfür sollte es mehr Anreize geben, zum Beispiel von Firmen, die ihren Mitarbeitern bei Fahrgemeinschaften bevorzugt Parkplätze anbieten. Außerdem könnten Unternehmen ihren Beschäftigten verstärkt vergünstigte Job-Tickets bei den Verkehrsverbünden bereitstellen. Wichtig ist, auch Verwaltungen mit ins Boot zu holen und, dass kleinere Betriebe mitmachen können.

Entlastung der Knoten

NRW-Verkehrsminister Harry Voigtsberger (SPD) will mit seinem Programm vorrangig die Knotenpunkte wie Autobahnkreuze entlasten – und zwar ohne lange und teure Umbauten. Das geht nur mit verbesserten Verkehrsleitsystemen, mit denen die Fahrzeuge bei drohendem Stillstand über andere Strecken umgeleitet werden. Schilderbrücken über den Autobahnen geben dazu die nötigen Hinweise. Mit Verkehrssteuerungsanlagen lässt sich auch die Geschwindigkeitsbegrenzung be­liebig verändern und der Verkehrsdichte anpassen.

Tempolimits

Eine wesentliche Ursache für Staus sind nach Aussage von Experten die Ungleichheiten der Geschwindigkeiten auf den Autobahnen. Generelle Tempolimits sorgen da für geringere Unterschiede und deshalb mehr Sicherheit. Bei einer statischen, also dauernd geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung, kann es bei hohem Verkehrsaufkommen aber weiterhin Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Teilnehmern geben. Weil manche Fahrer vorsichtig unterwegs sind und andere immer am Limit, das zum Beispiel auf 120 festgelegt ist.

Verkehrssteuerungsanlagen arbeiten dynamisch und deshalb wirkungsvoller als generelle Tempobeschränkungen. Sie können das Limit bei Bedarf kurzfristig auf 60, 70 oder 80 herunterregeln. Dann fahren alle relativ langsam.