Dortmund. . Der 78-jährige Dortmunder Willi Hoffmeister gilt als Alterspräsident der Ostermärsche. 2011 geht er wegen Afghanistan und Atomkraft auf die Straße.

Jetzt läuft er schon ein halbes Jahrhundert, und noch immer ist kein Frieden in der Welt. „Wer hätte das gedacht vor 50 Jahren, dass man im Alter immer noch um dieselben Fragen ringen muss?“ Aber natürlich gibt er nicht auf, er wird auch mit 78 wieder die Schuhe schnüren, wie jedes Jahr seit 1961: Er sagt, er sei inzwischen so eine Art „Alterspräsident“ des Ostermarschs. Dortmunds „Friedens-Willi“.

Auftrag vom Onkel

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Von DerWesten

So haben die Männer, die er seine „Kumpels“ nennt, ihn schon gerufen, als Willi Hoffmeister noch auf der Hütte war und unterm Hochofen den Krieg bekämpfte, dieser kommunistische Sturkopp: „Entweder bist du konsequent, oder du bist es nicht.“ Der Willi, der schon geboren wurde in so eine Familie: wo der Großvater den Säugling mit den Worten begrüßte, „schon wieder ein Soldat für Hitler“. Wo die Mutter derart offen gegen die Nazis redete, dass sie es selbst für „ein Wunder“ hielt, „dass sie überhaupt überlebte“. Und wo der Onkel Franz elf Jahre im Konzentrationslager verschwand. „Tu alles“, sagte er nach seiner Befreiung zu seinem Neffen, „dass es nie wieder dazu kommt.“

So ist der Willi geworden, was er ist bis heute: ein Mann, der diesen Satz immer wieder zitiert, der ihm folgt und seine Kraft daraus zieht. Der „Nie wieder Krieg“ auf ungezählte Fahnen geschrieben hat und sie vor sich her trägt sein Leben lang und jedes Jahr zu Ostern von Duisburg nach Dortmund. Der sich „manche Blase gelaufen“ hat und Beulen geholt. Nicht nur einmal ist er von Rechtsextremen bedroht worden, sie halten ihn für eine „rote Sau“. Dabei gibt es durchaus Momente, in denen sich Hoffmeister fragt: „Bin ich eigentlich ein hundertprozentiger Pazifist?“ Er ist sich da nicht sicher, „manchmal muss man sich vielleicht wehren – aber wenn erst die Bomben fallen, dann hat der Verstand ausgesetzt“!

Seinen hat der alte Mann der Dortmunder Friedensbewegung immer benutzt. Schon Adenauers Remilitarisierung findet der junge Hoffmeister „unbegreiflich“, in den 50ern fährt er mit dem Fahrrad durch sein Viertel und sammelt Unterschriften. „Wir sollten als Land, das aus seiner Geschichte gelernt hat, doch andere Wege gehen!“ Er hat damals eine Weile geglaubt, „mit friedlicher Atomkraft ließen sich Probleme lösen“, er gibt das ehrlich zu, lacht aber bitter dabei. „Friedliche Atomkraft gibt es nicht“, meint er heute und findet es deshalb richtig, dass der Ostermarsch 2011 auch der Energiewende gilt. „Lass sie doch protestieren, Hauptsache, sie sind friedensmäßig unterwegs!“

Auch mit einer anderen Illusion hat er früh aufgeräumt: Es sei nicht die Bombe das Problem, sondern der Finger, der sie auslöst? Ha! „Dort, wo die Dinger rumliegen, findet sich immer ein Finger, der sie auslöst.“ So sieht Willi Hoffmeister das, und der Willi will das verhindern.

1961, erinnert er sich, „war der Punkt, wo man gemeinsam auftreten musste“. Der erste Ostermarsch Ruhr. Er hat noch Schwarz-Weiß-Fotos mit gezacktem Rand in seinem Album aus jenen Jahren: mit Bärtigen darauf und Transparenten – „Mit des Kumpels Moneten nicht für Bunker und Raketen“ und „Ohne kleine Leute keine großen Kriege“ –, man trug damals noch Schlips zum Protest. Und wenn sie ihm heute sagen: Ihr wart auch schon mal mehr auf der Straße! Dann antwortet Hoffmeister gelassen: „Wir waren auch schon mal weniger.“

Gegen jeden Einsatz

Die Friedensbewegung hatte doch immer ihre Hochphasen. Während des Vietnamkriegs. 1967, als die „Kampagne für die Abrüstung“ noch Leute wie Erich Kästner und Heinrich Böll unterschrieben. 1983, „als jeder mitkriegte, die Raketen die landen doch alle bei uns“! Die Golfkriege, Afghanistan, „dieser Wahnsinn!“ – und die „schlimmste Nacht meines Lebens“, die war im März 1999: Die Nato griff in Jugoslawien ein, „was für eine Niederlage für die Friedensbewegung“. Willi Hoffmeister versteht das nicht, der Hindukusch und jetzt Libyen, er ist gegen jeden Militäreinsatz, grundsätzlich und immer! Die hagere Hand fällt auf die vergilbten Bilder, er muss aufpassen, dass er nicht die Hoffnung verliert.

Dabei glaubt Hoffmeister an das, was er tut; er glaubt an die Friedenserziehung der ganz Kleinen, er hat „ja selbst tatsächlich einen Panzer zu Weihnachten gekriegt“, in den 30ern. Er glaubt daran, dass man eckige Tische rund machen kann, und daran, dass man mit jedem reden muss. „Irgendwann muss das doch klar werden in den Köpfen: Wir wollen leben auf dieser Erde!“ Für den Marsch 2011 hat er ein riesiges Transparent gemacht, mit Sprüchen von Brecht und Berta von Suttner. Und immer malt er die Taube dazu und das Peace-Zeichen, er nennt es „das Wagenrad“.

Immer dabei sein

Wenn Ostern ein paar hundert Leute kommen, dann ist das für ihn schon wieder „eine gute Sache“. Er weiß ja, den Menschen ist das Hemd näher als die Jacke, „aber mir wäre lieber, wenn sie mit der Jacke schon mal anfangen würden“. Er selbst „muss immer dabei sein“, so lange die Füße tragen. Nur dieses Jahr noch, hat er zu Hause behauptet, aber seine Frau kennt das schon: „Das sagst du jedes Jahr.“ Ob jemals der Tag kommt, an dem das alles nicht mehr nötig ist? „Ich würde es mir wünschen. Aber ich werde es nicht mehr erleben.“ Friedens-Willi marschiert . . .