Dortmund/Essen. Was die Biologen des Landesumweltamtes im Dortmunder Hafenfisch fanden, gehört in den Sondermüll, aber nicht auf den Teller. Seit sechs Wochen sagt die Stadt: Hände weg vom Hafenfisch!
PCB, Dioxine, Furane – was die Biologen des Landesumweltamtes (LANUV) im Dortmunder Hafenfisch fanden, gehört in den Sondermüll, aber nicht auf den Teller. Die unappetitliche Fangbilanz: wenige Fische, fast alle verseucht. Vor allem die Aale. Sämtliche Exemplare überschritten die von der EU festgelegten Höchstgehalte an PCB und Dioxin, in der Spitze um das Siebenfache. Auch Schleien, Barsche, Brassen, Hechte und Karpfen waren vergiftet. Seit sechs Wochen sagt die Stadt: Hände weg vom Hafenfisch!
„Und Dortmund ist kein Einzelfall“, ahnt LANUV-Sprecher Peter Schütz. Das Land zahle den Preis für industrielle Sünden der Vergangenheit. „Die Chemiecocktails der 50er- und 60er-Jahre“ zeigten heute ihre Nebenwirkungen, „nicht nur zu Lande, auch im Wasser“. Schütz spricht von diversen „Hot Spots“ – Standorten, an denen Fisch eher schädlich als gesund sein dürfte. „Höchstbelastete Ecken“ gebe es „fast an allen Siedlungsschwerpunkten“. In Duisburg oder Essen dürfte die Fischqualität kaum besser sein als in Dortmund, angesichts von „Schrottplätzen und anderen potenziellen Dreckschleudern, die oft in Steinwurfweite vom Angelrevieren liegen“. Nicht nur an Kanälen, auch am Rhein.
In Dortmund gilt bereits ein Angelverbot
Mit Blick auf „die Häfen von der holländischen Grenze bis Bonn-Königswinter“ erwartet das Landesumweltamt ähnliche Belastungen – „ob in Düsseldorf, Neuss, Köln oder Leverkusen“. Höchste Zeit, „ein Gewässer nach dem anderen aufs Korn zu nehmen“, meint Schütz – „mit allen Konsequenzen, die daraus folgen können“.
Angel- und Verzehrverbote inbegriffen. In Dortmund gelten sie bereits, verhängt von der Stadt, begründet mit vorsorgendem Verbraucherschutz. Offiziell ist von einem „freiwilligen Fischereiverzicht“ die Rede. Doch freiwillig verzichteten die betroffenen 1400 Petrijünger nicht auf ihren Freizeitspaß. Erst als die Stadt mit der Aufhebung des Pachtvertrages für die 35 Hektar Wasserfläche im Hafen drohte, fügte sich der 1. Dortmunder Angelsportverein dem Fangstopp. Der 60 000 Mitglieder starke Landesfischereiverband Westfalen und Lippe widersetzt sich einem generellen Angelverzicht. „Das hat es bisher noch nicht gegeben. Es wäre auch unverhältnismäßig“, sagt Geschäftsführer Michael Möhlenkamp. Bis auf die höchstbelasteten Aale gibt der Verband alle Fischarten zum Angeln frei.
Mit grotesken Folgen: Die Stadt Dortmund hat die Hoheit über den Hafen und die anschließende Kanalwasserstrecke bis zum Kilometer 1,44; gleich dahinter bestimmt der Landesfischereiverband über die freie Strecke des Dortmund-Ems-Kanals. Folglich dürfen Fische hier noch geangelt und verspeist werden, einen Meter weiter aber nicht mehr.
Die Ohnmacht einer Minderheit
Die Grenze zwischen Verbot und Verzehr – sie ist eher fließend denn einleuchtend. „Der Fisch neigt zum Schwimmen“, schüttelt Dortmunds Umweltamtschef Wilhelm Grote den Kopf und fordert „ein Fangverbot mindestens bis zur Schleuse Henrichenburg“. Doch der Verband beschwört den „hohen Freizeitwert“ und die „soziale Bedeutung“ der Fischerei. Die Giftdaten reichten nicht aus, meint Möhlenkamp. „Jeder Angler kann über den Verzehr selber entscheiden, den Wert des grundsätzlich gesunden Nahrungsmittels Fisch und die potenzielle Gesundheitsgefährdung aufgrund von PCB-Belastung abwägen.“
Der Streit spitzt sich zu. „Wir könnten Regressforderungen stellen, wenn wir verbotsbedingt Mitglieder verlieren“, sagt Norbert Kovac, Chef des 1. Dortmunder Angelsportvereins – und beklagt die Ohnmacht einer Minderheit. „Die Industrie hat es leicht. Für die werden einfach Grenzwerte erhöht, wenn zu viel Dioxin im Fisch ist“, erinnert er an verdreifachte Maximalwerte, die seit 2008 für Dorschleber gelten. „Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man ziehen.“ Bei Fischen läuft es meist andersrum.