Borken. .

Erdgasbohrungen im Münsterland versetzen Bürger in Unruhe. Sie befürchten eine Vergiftung des Grundwassers und treffen sich zur Vorbereitung von Protestaktionen.

Erdgas ist ein begehrter Rohstoff. Weil in NRW ergiebige Vorkommen vermutet werden, haben Energiekonzerne das halbe Land bereits zu Erkundungszwecken unter sich aufgeteilt. Gefördert wird derzeit noch nicht, doch Anwohner vielerorts fürchten Umweltschäden, sollten die Bohrungen beginnen. Am Freitag wollen deshalb verschiedene Interessengemeinschaften aus dem Münsterland ihr weiteres Vorgehen im Kampf gegen geplante Gasbohrungen abstimmen und ihr Anliegen nach Berlin tragen.

Jürgen Kruse blickt mit Sorge auf den Acker mit dem Winterweizen, der wenige Hundert Meter von seinem Wohnhaus in Borken wächst. Ein paar Holzpflöcke stecken das Gebiet ab, auf dem der Energiekonzern Exxon Mobil nach Erdgas bohren will. Ob und wann mit den Probebohrungen begonnen werden soll, dazu wollte sich das Unternehmen trotz mehrfacher Anfrage nicht äußern. Anders als für das 60 Kilometer entfernte Nordwalde liegt für Borken auch noch kein Antrag auf Genehmigung einer Probebohrung bei der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg vor. Doch Kruse, Vorsitzender der lokalen Interessengemeinschaft „Gegen Gasbohren“, ist davon überzeugt, dass an dieser Stelle in Zukunft Gas gefördert werden soll. Vor allem das Wie macht ihm dabei Sorgen.

Kritiker befürchten Verunreinigung des Grundwassers

Das Gas lagert gebunden in Kohle- oder Tonsteinschichten in mehreren Tausend Metern Tiefe. Durch Probebohrungen soll nun herausgefunden werden, ob die Gasreserven für eine wirtschaftliche Förderung ausreichen. Ist dies der Fall, befürchten die Gegner den Einsatz des sogenannten Fracking-Verfahrens. Dabei wird mit hohem Druck ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien in den Boden gepresst, wodurch das Gestein aufbricht und das Gas freigesetzt wird. Umweltschützer befürchten dadurch eine massive Absenkung und vor allem eine mögliche Verunreinigung des Grundwassers.

Hans Georg Babies von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die im Auftrag der Bundesregierung die Erdgasvorkommen in Deutschland untersucht, ist bemüht, die Ängste von Anwohnern und Landwirten zu zerstreuen. Da das Grundwasser in wenigen Hundert Metern Tiefe vorkomme, sei es „unwahrscheinlich“, dass es zu Verunreinigungen durch Bohrungen in die sehr viel tiefer liegenden Lagerstätten komme. „Aber ausschließen kann man das nie“, räumt er ein. Den Gegnern der Gasbohrungen geht es vor allem um die Chemikalien, die beim Fracking zum Einsatz kommen könnten. Die genaue Menge und Zusammensetzung sind auch beim BGR unbekannt. Babies hält die Aufregung dennoch für übertrieben. Derzeit gehe es erst einmal um die Exploration. Ob dann tatsächlich gefördert werde, stehe noch gar nicht fest.

Zweifel an der Unabhängigkeit der Behörden

Doch auf Einschätzungen unabhängiger Behörden wollen sich die Anwohner nicht mehr allein verlassen, seit die Bezirksregierung Anfang Dezember eine Broschüre des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) als Informationsmaterial an die Bürgermeister betroffener Gemeinden verschickte. Pikanterweise ist der Vorstandsvorsitzende von Exxon Mobil Deutschland, Gernot Kalkoffen, auch Chef dieses Lobbyverbandes. Zwar versicherte die Behörde in einem Schreiben, „es sollte damit keinesfalls eine Interessen gelenkte Information erfolgen“ - doch bei Skeptiker Kruse bleiben Zweifel: „Ich mache mir schon Sorgen, ob die nachher neutral entscheiden.“

Für Aufsehen sorgte Anfang der Woche die Meldung, dass 2007 in Niedersachsen unter anderem mit Quecksilber belastetes Lagerstättenwasser aus einer undichten Rohrleitung der Firma Exxon Mobil ins Erdreich gelangt war und den Boden verseucht hatte. Die Verunreinigung ging aber nach Behördenangaben nicht auf Fracs zurück. Die Chemikalien kämen auch ganz natürlich in tiefen Gesteinsschichten vor.

Jürgen Kruse rechnet damit, dass das Unternehmen im Februar die Probebohrung beantragen wird. Dass es bei der Exploration bleibt, hält er für unwahrscheinlich. „Wir sehen das als Vorbereitung für weitere Maßnahmen“, sagt der 39-Jährige. Deshalb sammelt er schon jetzt Unterschriften gegen das Vorhaben. Außerdem will er gemeinsam mit den Interessengemeinschaften aus Drensteinfurt und Nordwalde beraten, wie Erdgasbohrungen im Münsterland verhindert werden können. Ihm schwebt vor, alle Bundestagsabgeordneten aus der Region anzuschreiben und um Hilfe zu bitten. (dapd)