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Eine neue Bohrtechnik soll dem Energieland NRW neue Erdgasvorkommen sichern. In den USA sorgt sie für Kritik.

Diese Nachricht elektrisiert das Energieland NRW: Die heimischen Erdgasvorkommen sind womöglich weitaus größer und gewinnbringender als bislang be­kannt. Das Land hat Bohrspezialisten aus dem In- und Ausland grünes Licht gegeben, um bislang unzugängliche, riesige Erdgaslager zu erkunden und auszubeuten.

Millionen Euro sollen nun in Probebohrungen fließen. Die Claims sind abgesteckt, die Hälfte der Landesfläche ist auf einer Karte des NRW-Wirtschaftsministeri­ums als mögliche Erkundungsfelder markiert. Goldgräberstimmung an Rhein und Ruhr.

Der US-Ölmulti ExxonMobil hat sich die größte Tranche gesichert. Im Visier haben die Förderspezialisten das „un­konventionelle Erdgas“ – je­nes Gas, das in NRW in Ge­steinen und in Kohleflözen eingelagert ist. Bislang war der technische Aufwand der Bohrungen zu groß. In den USA jedoch haben verfeinerte Methoden die Erschließung möglich gemacht. Vor allem die Erschließung des „Shale Gases“ (Erdgas in Schiefergesteinen) erlebt seit 2005 einen Boom und hat dazu geführt, dass die weitgehend von Energieimporten abhängigen USA ihre Gasförderung erhöhen konnten. Die Folge war ein Überangebot, die Gaspreise in Europa sanken.

Neue Hoffnung keimt in Deutschland auf

Die Hoffnung, die Endlichkeit des Erdgases durch neue förderbare Mengen um Jahrzehnte nach hinten zu schieben, hat sich auch in Deutschland breit gemacht. In Niedersachsen erkundet ExxonMobil bereits seit dem Vorjahr unerschlossene Lagerstätten. 90 Prozent der konventionellen Gasvorräte Deutschlands lagern dort. In 30 Jahren sollen sie erschöpft sein. Exxon hofft, dass für die Erschließung der unkonventionellen Vorräte der Endpunkt erst 50 Jahre später kommt.

Aus den USA jedoch kommen auch Berichte, nach denen die Bohrtechnik zu erheblichen Umweltbelastungen geführt habe. Der Hintergrund: In die Bohrlöcher wird mit hohem Druck Wasser gepresst, um das Gestein aufzusprengen. Dem Wasser werden zudem giftige Chemikalien beigemischt, um zu verhindern, dass Bakterien die Klüfte im Gestein wieder schließen.

Umweltverbände in den USA beklagen, dass in mehreren Fällen Grundwasser mit radioaktiven Stoffen und Chemikalien verunreinigt worden seien. In einer Studie berichtet der deutsche Energieexperte Werner Zittel über einen Fall in Ohio, bei dem Erdgas ins Trinkwasser gelangt sei und in einem Haus zu einer Explosion geführt habe.

Grüne: Bundesregierung betreibt Geheimniskrämerei

Goldgräberstimmung will da bei den Grünen im Bundestag und im NRW-Landtag nicht aufkommen. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen diese Bohrungen. Wir brauchen Gas noch über viele Jahre“, sagt Oliver Krischer, Energieexperte der Bundestagsfraktion mit Wahlkreis in Düren. „Doch wenn es nun zu derart umfangreichen Erdungsbohrungen kommt, dann hat die Bevölkerung ein Recht darauf, frühzeitig informiert zu werden.“

Krischer moniert, dass die Bundesregierung in den vergangenen Monaten trotz zweier Anfragen der Grünen Geheimniskrämerei betrieben habe. Die Antworten der Regierung liegen dieser Zeitung vor. Darin werden unter anderem die Explorationsziele der Energiewirtschaft als vertraulich bezeichnet. Erst eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion an die NRW-Regierung förderte Details zu Tage. Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) nannte erstmals konkrete Pläne für NRW. Krischer zeigte sich überrascht: „Während die Bundesregierung nach eigener Aussage erst einmal die möglichen Folgen der Bohrungen prüfen lassen will, sind in NRW die Lizenzen für die Probebohrungen bereits vergeben und die Claims abgesteckt. So werden Fakten geschaffen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt.“

ExxonMobil erklärte auf Anfrage, dass zunächst lediglich Erkundungsbohrungen geplant seien. Ein Sprecher verwies auf die in Deutschland geltenden strengen Umweltauflagen: „Wir haben kein Interesse daran, dieses Gas nicht nachhaltig zu fördern.“