Oberhausen.

Das Sea Life Aquarium Oberhausen hat den Nachfolger vorgestellt des Kraken Paul. Es ist ein Krake namens Paul.

So ein minutiöses Protokoll hat man eigentlich nur, wenn ein Kaiser kommt, so durchgeplant, so ausgefeilt, doch natürlich sind die Inhalte andere: Für den Tenno 1993 war beispielsweise weder ein „Transport aus dem Hafenbereich 11.45 Uhr“ vorgesehen noch ein „Einlassen ins Becken“. Hier aber steht es Punkt für Punkt, dazu „12 Uhr Beginn der Fernseh-Übertragung“ oder „12.02 Uhr Öffnen des Deckels“ – und dabei geht es bloß um die Ziehung eines Kraken.

Anderthalb Stunden zuvor beginnen Journalisten sich im Restaurant des Sea-Life-Aquariums Oberhausen zu versammeln, sie stellen einander ulkige Fragen („Warum bist Du denn hier?“) und reden hässlich über den Medienrummel, an dem sie sich gleich begeistert beteiligen werden. Dazu gibt es Kaffee und Lachsbrötchen, was an dieser Stelle und aus diesem Anlass ein Geschmäckle hat: Ein weiterer Paul wird inthronisiert. Paul der Neue, Paul junior, Klein-Paul. Paulchen, das war früher ein Panther. „Die ganze Welt ist gespannt. Warten auf Paul den II.“ formuliert die RTL-Moderatorin, und man erwartet unwillkürlich, dass bald weißer Rauch aus dem Becken quillt. Habemus oraculum!

In der Zufahrt steht ein Polizeibulli. Aber das ist bestimmt Polizeihauptmeister Zufall.

Und so geschieht es in dieser überhitzten Medienwelt, das selbst der harmlose Satz eines Helfers, „Probelauf war ok. Halt noch ohne Oktopus“, zur, Entschuldigung, Wasserstandsmeldung an die Heimatredaktion gerät.

Der Oktopus ist tot, es lebe der Oktopus: Das sei „gar keine große Marketing-Strategie“, sagt Sea-Life-Sprecherin Tanja Munzig: „Es hat hier immer einen Paul gegeben, es gibt ja auch viele Tanjas.“ Schon, aber das Fernsehen überträgt doch nicht in die ganze Welt, wenn Tanja eine Muschel isst.

Aber das kann man diesem Wasserzoo nun wirklich nicht vorwerfen, dass er seine Marketing-Aktion weiterzudrehen versucht: Das Kraken-Orakel war die vielleicht weltweit durchschlagendste PR-Kampagne des Jahres 2010, und Paul wurde der erste zeitgenössische Ruhrgebietler, der ein Begriff war von Amerika über Australien bis Iran; nur von Nordkorea weiß man’s wieder nicht so genau.

Ein Oktopus, so groß wie ein Teller

Aber natürlich bekommt die Aktion durch die Fortsetzung nun einen leichten Zug ins Überdrehte und Ermüdende, und jedes Wortspiel ist erschöpft: „Ein kleiner Oktopus tritt in die Fußstapfen oder treffender gesagt in die Tentakeln eines der berühmtesten Tier-Orakel aller Zeiten“, heißt es in der offiziellen Presse-Erklärung zu einem Nicht-Ereignis mit unbekannter Hauptperson, von dem aber auch der chinesische Kollege Li berichtet und die Agentur Reuters für andere internationale Kunden.

Paul der Neue ist dann mit affenartigem Tempo aus seiner Amphore gequollen und hat sich den Kameras präsentiert: ein kleiner Oktopus mit 30 Zentimetern Spannweite, „so groß wie ein Teller“, sagt eine Besucherin in einem vielleicht nicht ganz geschmackssicheren Vergleich. Der Krake stammt aus Südfrankreich, aus der Gegend von Montpellier, ist in diesem Sommer geboren und hat nun reichlich anderthalb Jahre Zeit, sich vorzubereiten auf sein erstes großes Turnier: die Fußball-Europameisterschaft im Sommer 2012 in Polen und der Ukraine. Dabei „ist es offen, ob er überhaupt eine Prophetenkarriere anstrebt“, sagt Tanja Munzig.

Und das ist keineswegs die einzige offene Frage. Überhaupt weiß man gar nicht, ob Paul wirklich ein Männchen ist. Paul das Neue? Das Geschlecht entwickelt sich bei Kraken nämlich erst nach und nach und ist auch dann „nur ganz schwer zu erkennen“, so eine Tierpflegerin. Vielleicht wird also aus der ganzen Geschichte eines Tages die Legende von Paul und Paula. Oder für . . . Actionfreunde: Octopussy.