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Seit Jahren kämpfen Frauenhäuser um mehr Geld, vor allem aber um eine verlässliche Finanzierung. Jetzt will die rot-grüne Landesregierung den Rechtsanspruch auf einen Frauenhausplatz gesetzlich verankern.

Frauenhäuser gehören abgeschafft. Behauptet mancher, zuletzt der renommierte Soziologie-Professor Gerhard Amendt. Sie seien „Hort des Männerhasses“ und längst überflüssig. In der Tat: sank die Zahl der Frauenhäuser seit 2005 von 400 auf 360. Allerdings nicht, weil es an Nachfrage fehlte. Aber an Geld.

„In der Schwangerschaft“, erzählt Laura, fing es an. Ihr Freund begann zu jammern: „Du lebst nur noch für das Kind. Ich geh kaputt “. Damals schlug sie der Mann, mit dem sie seit zwei Jahren zusammenlebte, zum ersten Mal.

Pflicht des Staates

Frauenrechtlerinnen wie Claudia Eckern leiten aus dem Grundgesetz eine Pflicht des Staates zur Frauenhaus-Finanzierung ab. „Wer die Polizei ruft, muss ja auch nicht zahlen“, erklärt die Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft der autonomen Frauenhäuser (LAG), die in NRW 27 Einrichtungen betreibt. Tatsächlich ist die Finanzierung von Frauenhäusern eine freiwillige Leistung von Bund, Land und Kommunen. Und damit jederzeit widerrufbar. Quasi über Nacht konnte die Regierung Rüttgers deshalb 2006 den Landeszuschuss um 30 Prozent kürzen.

Anfangs lagen Wochen zwischen den Attacken ihres Freundes, erinnert sich Laura. Stets waren es Nichtigkeiten, die einen Streit auslösten: ein ungebügeltes Hemd vielleicht, oder Spielzeug auf dem Boden. „Aber immer tat es ihm danach furchtbar leid“, sagt die 25-jährige Essenerin. Dann stand der Freund mit Blumen vor ihr und schwor, es werde nie mehr vorkommen.

Derzeit fördert das Land 62 Frauenhäuser mit je 87 604 Euro jährlich. 5000 Frauen (mit ebenso vielen Kindern) suchten hier 2009 Zuflucht. 5000 weitere mussten abgewiesen werden. „Unsere durchschnittliche Auslastung liegt bei 90 Prozent“, berichtet Elke Schmidt-Sawatzki, Geschäftsführerin des „Hexenhauses“ in Espelkamp und Sprecherin des „Paritätischen“, einem der verbandlichen Frauenhaus-Träger. In den Großstädten sieht es eher schlechter aus. Dabei gilt 75 Prozent Auslastung als Grenze, will man flexibel bleiben.


„Ich schämte mich so...“

„Ins Gesicht“, sagt Laura, „schlug er mich nie.“ Aber einmal habe er sie gewürgt. Ein anderes Mal getreten, als sie „doch schon am Boden lag“. Zum Arzt ging die Diplom-Betriebswirtin, die in einer Marketing-Agentur arbeitete, bis das Baby kam, nie. „Ich schämte mich doch so . . .“

„Von den Zwängen der Haushaltskonsolidierung konnte auch der Gewaltbereich nicht ausgenommen werden“, erklärte Serap Celen, Sprecherin des (alten) NRW-Frauenmininsteriums, noch im Juli auf Anfrage. Die Mittelkürzung 2006 sei möglich gewesen, „ohne das eine Einrichtung weggefallen sei“. Aber 129 Betreuungsplätze mussten laut LAG seither abgebaut werden.

Als Laura endlich klar wurde, dass sie Hilfe brauchte, wandte sie sich ans Jugendamt. Schlägt er auch das Kind, fragte man dort. Tat er nicht. Dann könne man leider nichts für sie tun, sagte die Sachbearbeiterin und riet zur Anzeige bei der Polizei. „Aber dann“, sagte Laura damals, „wird ja alles öffentlich ...

Alle Schichten betroffen

Jede vierte Frau erlebt mindestens einmal im Leben Gewalt durch den Partner, so das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Bundesregierung. Betroffen seien alle Alters- und Bildungsschichten, ergänzt Ulrike Röhr, die als Diplom-Sozialarbeiterin im Essener Frauenhaus arbeitet und für diese Erkenntnis keine Studie braucht: Seit 20 Jahren ist sie im Job. „Ich mag die selbstbestimmte Arbeit im Frauenhaus“, sagt sie. Es sei schön zu sehen, wie Frauen, die als Opfer kämen, wieder auf eigenen Füßen stehen lernten. Aber immer häufiger denke sie inzwischen auch: „Es reicht!“

Über ein Jahr hielt Laura die Prügel und die Angst davor aus. Schließlich schlief sie nur noch tags, wenn ihr Freund arbeiten war, aus Sorge, nachts könnte er ihr ein Messer in den Bauch rammen. Erst als er ihr am Telefon tatsächlich drohte, sie umzubringen, wenn er nach Hause käme, ging Laura. Sicher, dass er es ernst meinte. 45 Minuten brauchte er für die Fahrt. Sie war lange weg, als er ankam.

„Mehr ist nicht drin“

Zwölf Seiten dick ist allein der „Antrag auf Eingliederungshilfe für Arbeitssuchende“. Die müssen Frauen, die sich flüchten, als erstes beantragen, wenn sie den fälligen Tagessatz nicht selbst bezahlen können. Und das können nur wenige. Immerhin beträgt er bis zu 68 Euro pro Tag und Person. Praktisch, sagt Ulrike Röhr, stünden sie und ihre Kolleginnen bei der Ankunft einer geflohenen, aufgewühlten Frau immer wieder vor derselben unmöglichen Entscheidung: „Kümmern wir uns erst um ihre Gewalterfahrung oder um ihre Existenzsicherung?“

Zwei Tage dauerte es, bis man Laura und ihre Tochter im Essener Frauenhaus aufnahm. Solange konnten beide – „Gott sei Dank“ – bei einer Freundin unterschlüpfen. Anfangs weinte die 25-Jährige nur, „dabei bin ich gar nicht der Typ dafür …“ Trotzdem musste sie gleich am Tag ihrer Ankunft „aufs Amt, ALG II beantragen, Papiere zusammensuchen, Rennerei ohne Ende, ein unglaublicher Aufwand“.

Konzipiert sind Frauenhäuser als „niederschwelliges Beratungs- und Unterstützungsangebot“, zu dem auch präventives Arbeiten gehöre und Nachbetreuung, sagt Ulrike Röhr. Begeistert erzählt sie vom Frühstück, zu dem die Essener Einrichtung früher 14-tägig auch Ex-Bewohnerinnen eingeladen hatte. „Heute ist das nicht mehr drin.“


„Ich bin wieder bei mir“

Seit vier Wochen lebt Laura jetzt im Frauenhaus. Schöpfte Atem, dachte nach, organisierte ihr Leben neu. Mit ihrer Betreuerin besprach sie das Geschehene. Noch immer fragt sie; Warum ist das mir passiert? Aber schuldig fühlt sie sich nicht mehr: „Ich bin wieder bei mir selbst“, glaubt Laura. In wenigen Tagen wird sie deshalb ausziehen, Das Frauenhaus half, ein neues Zuhause zu finden, Wohngeld zu beantragen, die Kaution zusammenzukratzen. Die Tochter kommt in den Kindergarten, Laura selbst fängt wieder beim alten Arbeitgeber an.

Zu ihrem Freund kehrt sie nie wieder zurück, sagt sie.