Düsseldorf. .
Die Düsseldorfer Rechtsanwältin Gülsen Celebi betreut muslimische Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Am 26. April sitzt sie auf dem Podium beim Reitz-Thema „Ist der Islam integrierbar?“. Wilhelm Klümper sprach vorab mit ihr.
Sind Sie schon häufiger bedroht worden?
Gülsen Celebi: Ja. Auf der Straße, telefonisch, manchmal auch direkt nach einer Gerichtsverhandlung. Bislang ist aber noch nichts Gravierendes passiert.
Gelten Sie als Nestbeschmutzerin, der Verrat an der türkischen Gesellschaft vorgeworfen wir?
Celebi: So denkt eine Minderheit hier lebender Türken. Die Mehrheit ist froh, dass etwas gegen die Gewalt gegen Frauen getan wird.
Was raten Sie einem türkischen Mädchen oder einer Frau, wenn Sie von Ihrem Mann oder der Familie bedroht wird?
Celebi: Notfalls rate ich der Frau zur Flucht.
Wo können in ihrer Not diese Frauen hin?
Celebi: Zum Beispiel in ein Frauenhaus. Allerdings sind die oft überfordert, zumal auch schon mal ganze Familienclans vor der Türe stehen und die bedrohten Frauen zur Rückkehr überreden wollen. Daher brauchen wir für diese Frauen spezielle Frauenhäuser, wo Betreuerinnen die Herkunftssprache sprechen und den kulturellen Hintergrund der Frauen kennen. In den Niederlanden gibt es das schon.
Kehren misshandelte Frauen häufiger freiwillig zu ihrem Mann oder der Familie zurück?
Celebi: Das passiert uns insbesondere bei jungen Frauen ganz oft. Die werden mit Versprechungen zurückgelockt. Bisher musste ich bei den zurückgekehrten Frauen noch keinen Tod beklagen.
Männer erschlagen ihre Frauen, Brüder schneiden ihren Schwestern im Namen der Familienehre die Kehle durch. Ist die Begrifflichkeit Ehrenmord dafür nicht verharmlosend?
Celebi: Nein. Die Täter kommen aus Gesellschaften mit patriarchalischen Strukturen. Da spielt die Ehre eine ganz andere Rolle als in der deutschen Gesellschaft.
Welche Rolle spielt der Islam?
Celebi: Der Islam an sich ist dafür nicht verantwortlich. Das hat vielmehr etwas mit dem Patriarchat zu tun. In anderen nicht-muslimischen Gesellschaften wie in Griechenland, Italien und Lateinamerika gab und gibt es auch Morde aus verletzter männlicher Ehre. Allerdings hat der Islam anders als das Christentum die Reformation noch vor sich. Der Islam ist daher in der jetzigen Form nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar. Das Schlimmste für eine Frau ist es, auf einen patriarchalischen, strenggläubigen Mann zu treffen. Überhaupt betrachtet jede Religion den Mann als etwas Besseres.
Welche Rolle spielen die islamischen Verbände und Moscheen in Deutschland?
Celebi: Wir dürfen nicht verallgemeinern. Es gibt sicherlich Imame - insbesondere in Hinterhof-Moscheen - , die ein sehr patriarchalisches Bild der Frau predigen. Aber zur Gewalt und zum Mord an Frauen wird dort sicherlich nicht aufgerufen.
Was sollte die deutsche Gesellschaft von den hier lebenden muslimischen Bürgern einfordern?
Celebi: Alle müssen sich an die Spielregeln der bürgerlichen Gesellschaft halten. Es darf keine Sonderrechte für einzelne Religionen geben. Das Grundgesetz schreibt die Trennung von Religion und Staat vor. Religion ist daher reine Privatsache.
Greift die Justiz bei Ehrenmorden konsequent genug durch?
Celebi: Bei Ehrenmordprozessen wurde insbesondere in der Vergangenheit von der Justiz häufig auf Totschlag befunden. Die Zeiten, als dieser kulturell bedingte Sonderbonus eingeräumt wurde, sind aber weitgehend vorbei.
Bekommen die von Gewalt bedrohten Frauen genügend Schutz von der Polizei?
Celebi: Unabhängig von Frauen mit Migrationshintergrund müsste die Polizei konsequenter gegen jede Art von Gewalt gegen Frauen vorgehen. Wer seine Frau schlägt, müsste eigentlich verhaftet werden.
Was muss passieren, um der Gewalt gegen Frauen mit Migrationshintergrund zu begegnen?
Celebi: Aufklärung vor allem in Schulen und eine Bildungsoffensive für die benachteiligten Kinder aus diesen Schichten. Alle Kinder müssten verpflichtend ab drittem Lebensjahr in einen Kindergarten gehen.