Bochum. .
Eine Fahrt mit öffentliche Verkehrsmitteln ist bei 30 Grad kein Vergnügen. Vollgestopfte Busse und Bahnen erinnern eher an die Tropen als an Mitteleuropa. DerWesten hat mit einem Thermometer nachgemessen, wie heiß es im Nahverkehr wirklich ist.
Wer bei bei Temperaturen jenseits der 30 Grad mit Bus und Bahn zur Arbeit fährt, muss hart im Nehmen sein. Meldungen über defekte Klimaanlagen in Zügen und überhitzte ICE-Waggons haben sich in den vergangenen Tagen gehäuft. DerWesten hat den Hitze-Test im öffentlichen Nahverkehr gemacht und mit einem Thermometer nachgemessen, wie sich auf einer Tour durch Bochum Busse und Bahnen aufheizen.
Die Bochumer U-Bahn-Linie 35 ist die Nabelschnur zwischen Innenstadt und Universität im Süden der Stadt. Täglich pendeln etwa 70.000 Fahrgäste zwischen den beiden Polen der Stadt. Vormittags, wenn die ersten Vorlesungen beginnen, sind die Waggons der U35 normalerweise brechend voll. Die Luft ist stickig, Sauerstoff ist trotz geöffneter Fenster Mangelware. Beim Hitze-Test mit Thermometer ist es in der U35 Richtung Uni jedoch erstaunlich leer. Sonst drängeln sich dort Menschenleiber dicht an dicht, nackte Haut trifft auf nackte Haut, Schweißperlen stehen längst nicht nur auf der Stirn. Heute fährt wohl nur der, der wirklich muss. Die wenigen Studenten sehen in knalligen Shorts, Flipflops, Röcken und Tops eher nach Strand aus als nach Hörsaal. Gegen 10 Uhr zeigt das Thermometer in der U-Bahn knapp 26 Grad, draußen ist es nur unwesentlich kühler. Sobald die U-Bahn jedoch den schützenden Tunnel verlässt und die Sonne durch die großen Fenster scheint, wird es merklich wärmer. Wer jetzt auf der Sonnenseite der Bahn sitzt, hat Pech gehabt.
Kühlschrank auf vier Rädern
Die Haltestelle in der prallen Sonne ist auch nicht besser. Zwar weht ein erfrischender Wind, doch die Temperatur nähert sich trotzdem der 30-Grad-Marke. Langsam rollt der Bus heran. Große Glasscheiben und geschlossene Fenster versprechen eine Sauna auf vier Rädern. Doch als sich die Türen öffnen, strömt erstaunlich kühle Luft aus dem Inneren nach draußen. Die Anzeige des Thermometers sinkt rapide auf knapp unter 20 Grad. Dieser rollende Kühlschrank ist wohltuend auf der Tour.
Den wohl kühlsten Arbeitsplatz im ÖPNV hat in diesen Tagen wohl Busfahrer Frank Kröger (43). Im roten Bogestra-T-Shirt und grauer kurzer Hose sitzt er hinter dem großen Lenkrad und freut sich über das gute Wetter: „Im Sommer ist es viel angenehmer zu fahren. Die Leute sind gut gelaunt, nicht so griesgrämig wie im Winter. Und angenehm kühl ist es auch“, sagt Kröger, der seit 20 Jahren hinterm Steuer sitzt, und fügt hinzu: „Wenn die Klimaanlage läuft.“ Das scheint nicht in allen Bussen der Fall zu sein, wie der Fahrer berichtet. Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann erklärt, dass 80 Prozent der 250 Busse auf Bochumer und Gelsenkirchener Stadtgebiet mit Klimaanlage ausgerüstet seien.
Brutkasten Straßenbahn
Das sind wesentlich mehr Fahrzeuge, als auf den Schienen unterwegs sind. Straßenbahnen sind so etwas die Brutkästen im ÖPNV. Nur wenige von ihnen sind klimatisiert, und auch diese Fahrzeuge heizen sich an Endhaltestellen in der prallen Sonne auf. Am Vormittag zeigt das Thermometer schon knapp 29 Grad an, hinzu kommt die Wärme der Sonne auf der Haut. Die Lüftung der Straßenbahnlinie 308 von Hattingen nach Bochum-Gerthe läuft auf Hochtouren, die Fenster sind geöffnet, doch wirklich viel bringt das auch nicht. „In der Straßenbahn ist es nicht so schön kühl wie in den Bussen“, sagt die angehende Ärztin Nadine Jording (25), die täglich zwischen Bochum und Essen pendelt. „Wenn es voll ist, wird es richtig knackig warm. Das macht dann keinen Spaß mehr.“
In den S-Bahnen und Regionalzügen der Deutschen Bahn ist beim Temperatur-Test vom Hitzestau à la ICE nichts zu spüren. Angenehme 26 Grad zeigt das Thermometer sowohl in der S1 in Richtung Dortmund, als auch im Regionalexpress von Hamm nach Aachen. Draußen ist es bereits deutlich wärmer. Lediglich die Glück-Auf-Bahn zwischen Bochum und Gelsenkirchen heizt sich während der Wartezeit am HBF auf knapp 28 Grad auf, kühlt dann aber schnell wieder runter, wenn während der Fahrt die Klimaanlage anspringt.
Kalte Getränke und Urlaubsstimmung an Bord
Mehr Urlaubsstimmung als Pendler-Atmosphäre herrscht auf der Schwalbe II, dem 25 Meter langem Ausflugsschiff auf dem Kemnader See. Kapitän Jens-Dieter Plöger steuert von April bis Oktober täglich das Schiff zwischen Witten-Bommern und Freizeitbad Kemnade. „Die Leute sitzen bei diesem Wetter lieber oben an der frischen Luft, obwohl es unten eigentlich kühler ist und dort die kalten Getränke verkauft werden“, wundert sich der Kapitän über die Passagiere bei 30 Grad an Deck. Die Kommandobrücke hingegen ist für klimatisiert, „sonst hält man es da drin nicht aus.“
Richtig heiß wird es für Plöger und seine Mannschaft aber erst , wenn sie in den Maschinenraum
müssen. Der 200 PS starke Motor und der Generator heizen den kleinen Raum auf knapp 43 Grad auf. Aber auch diese Temperatur ist für alle diejenigen lächerlich, die ihr Auto in der Mittagssonne geparkt haben. Die 50 Grad-Marke wird dort locker geknackt.