Ruhrgebiet. Zum Start der Freibad-Saison fehlen im Land Tausende Bademeister und Rettungsschwimmer. Wie die Städte versuchen, die Lücken zu stopfen
Pari, wie alle sie nennen, fiel vom Himmel in Gestalt einer Blindbewerbung aus Teheran: eine 30-jährige Iranerin, die Sport studiert und Deutsch gelernt hat und Schwimmen mehr liebt, als es Frauen im Iran erlaubt ist. Sie ist, um das abzukürzen, gut angekommen in Deutschland, nun wird sie im „Aquafun“ in Soest ausgebildet zur Bäderfachangestellten - man kann aber auch einfach „Bademeisterin“ sagen.
Ann-Christin von Kieter erzählt die Geschichte gern, die Sprecherin der „Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB)“ in Essen. Denn Menschen wie Pari als Azubi aus dem Ausland sind, so von Kieter, „Einzelfälle, die sich aber schnell rumsprechen, weil alle nach Lösungen suchen“. Gelöst werden muss das Problem, dass den Freibädern Bademeister und Rettungsschwimmer fehlen. 2023 blieben Bäder schon tageweise geschlossen, wie in Duisburg, oder sie brachen die Saison ab, wie in Kamp-Lintfort. Heiß knallt die Sonne, still ruht das Bad.
„Wir haben so viel getan wie nie zuvor“
2000 bis 3500 Schwimmmeister fehlen akut in Deutschland, schätzt ihr Berufsverband. Für Rettungsschwimmer und -schwimmerinnen als freiberufliche Saisonkräfte gibt es gar keine Zahl. Aber Städte und Badbetreiber sind eindeutig einfallsreicher geworden, was die Suche nach Fachkräften angeht. „Wir haben so viel getan wie nie zuvor“, sagt der Sprecher eines Betreibers. Und das gilt für viele. Etwa haben sie frühere Bademeister aus dem Ruhestand geholt. „Die sind oft auch dankbar.“
Sprockhövel hat Jugendliche und Eltern aufgerufen, ob sie sich vorstellen könnten, an der Freibad-Kasse zu arbeiten oder als Rettungsschwimmer: Wer sich meldet, den unterstützt die Stadt bei der Ausbildung in Erster Hilfe und Rettung. Andere Städte haben dieselbe Hilfestellung Mitgliedern von Schwimmvereinen angeboten oder Sportstudenten. Es hat aufwendige Marketing-Kampagnen gegeben wie in Duisburg („Werde unser Held am Beckenrand“) oder regelrechtes Vorschwimmen, zu denen Bewerber ohne Termin, aber mit Badesachen kommen konnten.
„Wir suchen seit Jahren Nachwuchs, den wir nicht finden“
Und so beginnt die Saison vielerorts tatsächlich am 1. Mai. Sommer, Pommes, gute Laune! Zumindest in ersten Bädern in Essen, Dortmund, Herne oder Moers, wo die Menschen dann auch schon früh am Morgen stehen und auf den Einlass warten. „Das Schwimmen am Morgen gehört für mich einfach zum Tag dazu“, sagt Andreas Scholz im Grugabad.
Die neue Freibad-Umfrage des Badewesen-Verbandes hat aber auch ergeben, dass die meisten Städte sich einstellen auf eine Saison vom 15. Mai bis 15. September. Da spielt neben dem Wetter auch der Personalmangel eine Rolle. „Wir suchen seit Jahren Nachwuchs, den wir nicht finden“, sagt ein Bademeister vom Niederrhein. „Es sind einfach nicht genug Kräfte auf dem Markt“, sagt Marc Rüdesheim von „Duisburg Sport“.
Die Gründe? „Da kommt einfach ganz viel zusammen“, sagt Ann-Christin von Kieter vom Badewesen-Verband. Altersbedingt scheiden mehr Fachkräfte aus, als nachrücken. Dann „das ganz große Thema Bezahlung“, Berufsanfänger bekommen etwa 2200 Euro brutto, „andere Branchen bieten mehr“. Und schließlich sei das Berufsbild unbekannt, „viele denken, die laufen ein bisschen am Becken entlang“.
Die „Kölnbäder“ starten eine Kampagne gegen sexuelle Übergriffe
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Auf der Internet-Seite der DGfdB reihen sich die Stellenanzeigen auf. Gesucht werden „Fachangestellte für Bäderbetriebe (m/w/d)„ , „Rettungskräfte“, „Betriebsleiter“, „Fachangestellte“ immer wieder, „Schichtführer“ . . . Bremen, Göttingen, Wermelskirchen. Greven, Iserlohn, Hagen. Frankfurt, Bad Dürkheim, Treuchtlingen . . . Ein allgemeines Problem.
In einigen Freibädern beginnt die Saison aber speziell. So starten die „Kölnbäder“ in diesen Tagen eine Kampagne, um Kinder und Jugendliche vor sexuellen Übergriffen im Schwimmbad zu schützen. Mit Plakaten und Handzetteln sollen sie ermutigt werden, sich dann Hilfe beim Personal zu suchen. Die Motive zeigen, dass Grabschen, Glotzen unter der Dusche oder Fotografieren in der Umkleide verboten sind. „Die Plakate sollen zeigen, dass Hilfe zu holen kein Petzen ist“, sagt Geschäftsführerin Claudia Heckmann.
Auch im Düsseldorfer Rheinbad hat es diese Woche eine Sondersitzung gegeben. Thema: die Randale frührer Jahre und wie man sie verhindern kann. „Wir haben in Deutschland 6000 Bäder, davon 3000 Freibäder, und die allermeisten sind von so etwas nicht betroffen“, sagt von Kieter. In „klassischen Problembezirken“ aber bereiten sich die Bäder vor. Thema: Sicherheitskräfte. Viele Unternehmen der Branche haben die Marktlücke am benachbarten Beckenrand erkannt - und haben ihre Sicherheitsleute zu einer Zusatzausbildung geschickt: zum Deutschen Rettungsschwimmabzeichen.