Essen. Viele Paare sind bestürzt: Die Politik hat die gemeinsame Elternzeit gekürzt. Warum das jedoch auch einen positiven Effekt haben kann.

Die neuen bundesweiten Regelungen bei den Partnermonaten in der Elternzeit sorgen bei vielen Eltern in Nordrhein-Westfalen für Verunsicherung und Kritik. Seit dem ersten April muss mindestens einer der sogenannten Partnermonate von einem Elternteil alleine genommen werden. „Können wir uns zwei Monate gemeinsame Elternzeit jetzt noch leisten? Wie müssen wir uns als Paar nun strukturieren? Und können wir überhaupt noch unsere große geplante Reise mit dem Baby antreten?“ Das sind einige der vielen Fragen, die uns über unsere Social-Media-Kanäle erreicht haben.

Zwar kann das Elterngeld weiterhin von zwölf Monaten auf 14 Monate aufgestockt werden – sofern sich beide Eltern die Betreuung aufteilen. Allerdings ist es nur noch möglich, in den ersten zwölf Lebensmonaten des Kindes, einen Monat gleichzeitig mit dem Partner oder der Partnerin zu Hause zu bleiben und dabei das Basis-Elterngeld zu beziehen.

Kürzung der Elternzeit: Sprge um die Zeit im Wochenbett

Nina Sommer (Name geändert) aus Mülheim steht kurz vor ihrem Entbindungstermin. Als sie und ihr Partner von der neuen Regel erfuhren, mussten sie sich erstmal sortieren. „Mir fehlt das Verständnis, weil man uns mit dieser Regel die zwei Monate gemeinsame Kennenlernzeit mit unserem Baby wegnimmt“, sagt die 29-Jährige. Sie selbst arbeitet in der Pädagogik und weiß, wie wichtig der Bindungsaufbau in den ersten Lebenswochen und Monaten für frischgebackene Eltern ist.

„Wir haben uns gefühlt wie in einem Dschungel – wir mussten schauen, wie wir uns als Eltern jetzt aufstellen, was wir für unser Kind möchten und als Paar brauchen“, sagt Nina Sommer. Besonders „Bauchschmerzen“ bereitete ihr der Gedanke an die Zeit im Wochenbett. „Mir ist es wichtig, dass mein Partner in diesen acht Wochen dabei ist und mich zum Beispiel im Haushalt unterstützen kann, während ich mich ausruhen muss.“ Und einen unbezahlten Monat, in dem nur ein Elternteil das Basis-Elterngeld erhält, könnten sich viele nicht leisten. In der neuen Regelung sieht Nina Sommer deshalb einen Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Paare können sich bei Elternzeit für „Elterngeld Plus“ entscheiden

Das Basis-Elterngeld orientiert sich am Einkommen der Eltern. Der Mindestbetrag liegt hier bei 300 Euro, der Höchstbetrag bei 1800 Euro netto. Mit der Änderung bei den Partnermonaten in der Elternzeit reagiert Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) auf die schwierige Haushaltslage. Die neue Regelung gilt allerdings nicht für Eltern mit Frühchen oder Mehrlingsgeburten.

Ute Klammer, Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, sieht – anders als einige Eltern – in der neuen Elternzeitregelung keinen gravierenden Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Die Eltern können ja immer noch den ersten Monat gemeinsam Elternzeit nehmen. Häufig ist es dann so, dass der Vater noch Urlaub nimmt, sodass die Zeit im Wochenbett gut abgesichert ist“, sagt Klammer.

Ute Klammer, Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, sieht – anders als einige Eltern – in der neuen Elternzeitregelung keinen gravierenden Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 
Ute Klammer, Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen, sieht – anders als einige Eltern – in der neuen Elternzeitregelung keinen gravierenden Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.  © Uni Duisburg | Uni Duisburg

Zudem könnten sich Paare dazu entscheiden, das „Elterngeld Plus“ zu beziehen und dann auch mehrere Monate gemeinsam Elternzeit zu nehmen. Dieses ist allerdings nur halb so hoch wie das Basis-Elterngeld und vor allem für Eltern gedacht, die in Teilzeit wieder in den Job einsteigen möchten.

Expertin zur neuen Elternzeitregelung: „Reisen mit dem Baby ist nicht mehr so einfach möglich“

Allerdings könne die neue Regelung die gemeinsamen Pläne in der Elternzeit einschränken oder durcheinanderbringen, so Klammer. „Gerade viele junge Eltern planen in den zwölf Monaten, mit ihrem Kind gemeinsam zu reisen. Das ist nun nicht mehr so einfach möglich.“

Ob und was sich bei der Inanspruchnahme der Elternzeit nach dem neuen Gesetz künftig verändert, sei noch nicht absehbar. Ute Klammer geht aber davon aus, dass vor allem die Väter auf den Monat Elternzeit verzichten werden. Insgesamt bezieht derzeit nur ein Viertel der Väter Elterngeld (26 Prozent). „Das sind zwar deutlich mehr als früher, aber hier gibt es immer noch Luft nach oben“, sagt Klammer.

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Die neue Regelung könne dahingehend sogar ein Anreiz sein, dass sich Paare die 14 Monate Elternzeit untereinander mehr aufteilen. Klammer: „Aus Studien wissen wir, dass es für die Beziehung zwischen Vätern und ihren Kindern wichtig ist, wenn sich der Vater lange und auch eigenständig kümmert. Und wir sehen, dass die Väter, die sich Elternzeit genommen haben, sich auch später verantwortlicher für die Kinder fühlen, zum Beispiel öfter Kinderkrankentage nehmen.“

Für gemeinsame Elternzeit muss ein Paar auf Erspartes zurückgreifen

Nina Sommer und ihr Partner werden trotzdem gemeinsam zwei Monate Elternzeit nehmen – für den werdenden Vater unbezahlt. „Die Familienzeit lassen wir uns nicht nehmen“, sagt Nina Sommer. Dafür hat das Paar nun jeden Monat Geld zur Seite gelegt, verzichtet auf einen gemeinsamen Urlaub vor der Entbindung und kauft im Supermarkt die Sonderangebote.

„Außerdem mussten wir auf unser Erspartes zurückgreifen, sonst hätten wir das nicht stemmen können.“ Nina Sommer wünscht sich, dass die Regelung rund um die Elternzeit wieder rückgängig gemacht wird. „Es ist eine Belastungsprobe.“

Info:Änderungen beim Elterngeld
Seit dem ersten April hat sich auch die Einkommensgrenze beim Elterngeld geändert. Anspruch auf die Leistung haben dann nur noch Eltern mit einem zu versteuernden Einkommen von maximal 200.000 Euro. Vorher waren es 300.000 Euro. Ein Jahr später, zum 1. April 2025, soll die Grenze dann auf 175.000 Euro sinken.

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