Essen. In NRW fordert ein Pflegeheim Kautionszahlungen. Verbraucherschützer werden hellhörig. Ein Überblick über die rechtlichen Grenzen.
- In kaum einem Bundesland zahlen Pflegeheimbewohner so viel aus der eigenen Tasche dazu wie in NRW.
- Umso größer ist die Verwunderung der Angehörigen, wenn ihnen weitere Kosten in Rechnung gestellt werden.
- Von Reservierungsgebühr über Kaution und Schuldbeitritt: Was ist erlaubt?
Manchmal muss es ganz schnell gehen: Wer eilig einen Platz im Pflegeheim benötigt, nimmt dafür unter Umständen auch Kurioses in Kauf. In Oberhausen forderte eine Einrichtung nun sogar eine Kaution für bestimmte Pflegebedürftige und ruft damit Verbraucherschützer auf den Plan. Ein Überblick, was zulässig ist und was nicht:
Was kostet ein Platz im Pflegeheim?
Anders als bei der Krankenversicherung decken die Leistungen der Pflegekassen nur einen Teil der Kosten, die in einem Pflegeheim anfallen. Alles darüber hinaus tragen die Bewohnerinnen und Bewohner. Sie zahlen den sogenannten Eigenanteil, in dem auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung, Investitionskosten und anteilig Personalkosten stecken.
NRW gehört seit vielen Jahren zu den teuersten Bundesländern: Laut Verband der Ersatzkassen zahlen Pflegebedürftige aktuell im ersten Jahr ihres Heimaufenthalts durchschnittlich 2.892 Euro pro Monat selbst dazu. Trotz neuer Kostenbremsen der Bundesregierung sind das 179 Euro mehr als Anfang 2023.
Wie muss über diese Kosten informiert werden?
Das muss im Wohn- und Betreuungsvertrag geschehen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW müssen darin sowohl die Gesamtkosten als auch einzelne Leistungen benannt werden. Dazu gehören Gelder für Pflegeleistungen, Kosten für das Zimmer und die Verpflegung.
Muss man eine Reservierungsgebühr für einen Heimplatz zahlen, den man erst später braucht?
Nein. Darüber hat der Bundesgerichtshof zuletzt 2021 geurteilt. In dem konkreten Fall ging es um eine Seniorin, die erst zwei Wochen nach Unterzeichnung ihres Pflegevertrags ins Pflegeheim gezogen ist. Der Betreiber stellte dem Sohn der Frau daraufhin eine Reservierungsgebühr von über 1100 Euro in Rechnung. Das ist nicht zulässig, sagten die Richter.
Darf ein vollstationäres Pflegeheim Kaution für einen Pflegeplatz verlangen?
Der wirtschaftliche Druck gerade auf kleinere Heime ist groß - bleiben sie auf Kosten sitzen, droht schnell die Schieflage. In Oberhausen sorgte im Frühjahr ein Pflegeheim für Aufmerksamkeit, das in bestimmten Fällen eine Kaution forderte. Wenn beim Einzug die Finanzierung noch nicht geklärt ist, etwa weil ein Antrag auf Sozialhilfe noch nicht durch ist, müssen Pflegebedürftige dort als Sicherheit eine Kaution hinterlassen. In einem Fall ging es um 4200 Euro.
Erlaubt sind solche Sicherheitsleistungen nur in absoluten Ausnahmen, auf die der Pflegeschutzbund Biva und die Verbraucherzentrale NRW hinweisen:
- Selbstzahlern, die keine Leistungen der Pflegeversicherung beziehen und im Heim leben wollen, darf eine Kaution berechnet werden.
- Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von 2018 gibt es zudem eine Ausnahme, die vor allem in Seniorenstiften zum Tragen kommen dürfte. Dort werden die Kostensätze häufig nicht mit der Pflegekasse verhandelt, sondern im Vertrag zwischen Bewohner und Pflegeheim vereinbart. Die Kosten für die Pflege macht das Heim dann direkt beim Bewohner geltend – und nicht wie üblich bei der Pflegekasse. Damit haben diese Pflegeheime weniger Sicherheiten, auch wirklich an ihr Geld für die geleistete Pflege zu kommen.
- Die Diakonie in NRW verweist noch auf eine weitere Ausnahme: Auch gegenüber Privatversicherten ist eine Sicherheitsleistung möglich. Allerdings kann eine Privatversicherung durchaus die Zusicherung gegeben haben, die Kosten wie eine gesetzliche Versicherung zu übernehmen - dann ist der Privatversicherte auf dem gleichen Stand wie ein gesetzlich Versicherter.
Die Zahl der Ausnahmen ist also gering. Eine Kaution darf sich maximal auf das Doppelte des Eigenanteils belaufen. Umgekehrt heißt das auch: Wer gesetzlich pflegeversichert ist, muss keine Kaution bezahlen, selbst wenn der Sozialhilfe-Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ noch nicht bewilligt ist. Für die Heime ist das durchaus problematisch: Weil die Eigenanteile steigen und mehr Menschen „Hilfe zur Pflege“ benötigen, kommen die Sozialämter kaum noch nach. Heime gehen nicht selten Monate in Vorleistung.
Den Heimplatz gibt es nur gegen eine „Schuldbeitrittserklärung“. Was ist das?
In ihrer wirtschaftlichen Not suchen Heime nach Beobachtung von Verbraucherschützern andere Wege, sich gegen Zahlungsausfälle abzusichern. Häufiger greifen sie inzwischen zu sogenannten Schuldbeitritten. Dabei sollen die Angehörigen den Heimvertrag mitunterzeichnen. Für den Fall, dass ein Bewohner nicht mehr für seinen Platz bezahlen kann und auch das Sozialamt keine Kosten übernimmt, müssten dann die Angehörigen einspringen. Sie haften also.
Sind Schuldbeitritte für einen Platz im Pflegeheim rechtens?
Ja. Rein theoretisch sei es möglich, dass ein Heimbetreiber solch einen Schuldbeitritt einfordert, heißt es von den Biva. Es ist weder verboten noch erlaubt: In einem Urteil von 2015 hat der Bundesgerichtshof offengelassen, ob solche Schuldbeitritte Sicherheiten sind, auf die Heimbetreiber bestehen können. Einzig geklärt ist, dass die Summe, für die man haftet, das Doppelte eines Monats-Eigenanteils nicht übersteigen darf und ein Schuldbeitritt im Vertrag vereinbart sein müsste. Die Rechtsunsicherheit hat laut Verbraucherschützern auch dazu geführt, dass Betreiber zeitweise auf diese Schuldbeitritte oder auch Bürgschaften verzichtet haben.
Sollte man solche Schuldbeitritte unterzeichnen?
Verbraucherschützer raten davon ab. „Das ist wie eine eigene Schuld mit unmittelbarer Haftung“, sagt Ulrike Kempchen, Rechtsanwältin beim Pflegeschutzbund Biva. Das sei in einem funktionierenden Sozialsystem ein eigentlich nicht notwendiges Risiko für die Betroffenen: „Wir haben Sicherheitssysteme wie die Pflegeversicherung und das Sozialsystem, das Hilfe zur Pflege gewährt. Damit müsste man Angehörige nicht noch zusätzlich die Pistole auf die Brust setzen nach dem Motto: Unterschreib oder du bekommst den Platz nicht!“ In der Praxis bleibe den wenigsten Angehörigen aber eine andere Chance, wenn Pflegebedürftige auf den Heimplatz angewiesen sind.
Wann sollten die Alarmglocken schrillen?
Den Verbraucherschützern beim Biva werden zunehmend Fälle gemeldet, in denen Pflegeheime ihre Leistungen kürzten. Konkret, so berichtet die Rechtsanwältin Ulrike Kempchen, würden Dinge als Zusatzleistungen ausgewiesen, die zuvor noch selbstverständlich ohne gesonderte Regelungen dazu gehörten.
Beispielhaft berichtet sie, dass Heimbewohner dazu zahlen müssten, wenn sie mehr als Seife als Hygieneprodukt bekommen wollen. Es gebe auch Fälle, in denen Getränke außerhalb der Essenszeiten als Zusatzleistung angerechnet würden. „Das ist noch kein flächendeckender, aber ein leichter Trend, der uns als Verbraucherschützer sehr beunruhigt.“ Wer nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, stünde zunehmend vor Problemen.
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