Kleve. Gericht entscheidet: Ein Online-Glücksspielanbieter muss verlorenes Geld erstatten. Jetzt hoffen viele verschuldete Zocker. Zu Recht?
Das Landgericht Kleve hat jetzt einem Mann die Erstattung seiner Verluste bei einem Online-Glücksspielanbieter zugesprochen. Viele andere Spieler schöpfen nun Hoffnung. Es geht um Millionen.
Um was geht es im vorliegenden Fall genau?
Es geht um einen Mann vom Niederrhein, der zwischen Juli 2012 und Oktober 2020 insgesamt 546.000 Euro auf der Website eines maltesischen Glücksspiel-Unternehmens verspielte. Die Summe forderte er jetzt mithilfe der Berliner Kanzlei Goldenstein zurück. Vor dem Landgericht Kleve bekam er Recht.
Wie haben die Richter das begründet?
Mit der fehlenden deutschen Lizenz des maltesischen Anbieters. Generell kam es erst im Juli 2021 mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag zu einer bundesweiten Liberalisierung des Online-Glücksspielmarktes. Ohne eine deutsche Glücksspiellizenz hätte das Unternehmen nie Geld von deutschen Verbrauchern annehmen dürfen. „Verträge zwischen den illegalen Glücksspielanbietern und ihren deutschen Kunden sind nichtig“, erklärt Rechtsanwalt Claus Goldenstein. „Es ist nämlich gar nicht möglich, rechtskräftige Verträge für ein illegales Angebot abzuschließen.“
Ist es das erste Urteil dieser Art?
Nein. Und es wird auch nicht das letzte sein. Seit Jahren schon ziehen Geschädigte vor deutsche Gerichte und bekommen dort oft Recht. Allein Goldenstein hat nach eigenen Angaben mehr als 650 Urteile zugunsten seiner Mandanten erstritten. Der Klever Fall ist allerdings so spektakulär, weil es um so viel Geld geht. Im Schnitt, heißt es aus der Kanzlei, seien die Mandanten mit 32.000 Euro verschuldet.
Wie kann ich als so hoch verschuldeter Mensch denn die Kosten für so einen Prozess aufbringen?
In vielen Fällen wahrscheinlich gar nicht. Aber dafür gibt es sogenannte Prozesskostenfinanzierer. Sie übernehmen sämtliche Verfahrens- und Anwaltskosten von Spielern und zahlen im Falle einer juristischen Niederlage sogar die Kosten der Gegenseite. Lediglich im Erfolgsfall werden sie mit einer Provision an der fälligen Entschädigung beteiligt. Das können bis zu 30 Prozent der erstrittenen Summe sein.
Kann ich solche Prozesskostenfinanzierer immer einschalten?
Nein. Sie prüfen zunächst einmal die Erfolgsaussichten einer Klage. Sind die schlecht, steigt kein Finanzierer ein.
Hat sich das Thema mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag mittlerweile erledigt?
Nein. Noch immer gibt es hunderte Anbieter ohne deutsche Lizenz, die ihre Dienste im Netz anbieten. Eine Übersicht der legalen Anbieter findet sich in einer sogenannten „Whitelist“ der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL).
Warum spielen denn noch immer so viele Menschen bei illegalen Anbietern?
Weil ausländische Anbieter ganz andere Spiele und Wetteinsätze anbieten als die in Deutschland zugelassenen Firmen. Das ist besonders für Menschen interessant, die süchtig nach Online-Glücksspielen und -wetten sind. Und laut Glücksspielatlas 2023 sind in Deutschland 4,6 Millionen Erwachsene spielsüchtig oder zeigen erste Symptome dafür.
Aber wenn sie ihre Verluste einklagen und zurückbekommen können, ist das doch alles nicht so schlimm, oder?
Vorsicht. Selbst nach einer Entscheidung wie der aus Kleve ist das Geld noch lange nicht zurück auf dem Konto des Spielers. Einschlägige Internetforen sind voll von Menschen, die seit langer Zeit ein rechtskräftiges Urteil haben und noch immer nichts erstattet bekommen haben. Zumal die Regierung von Malta Ende 2023 ein Gesetz namens Bill 55 erlassen hat, nachdem nur Gerichte in Malta Urteile über Glücksspielunternehmen mit Sitz auf der Insel fällen dürfen. Das macht die Durchsetzung von Urteilen deutscher Richter nach Einschätzung von Juristen zwar nicht unmöglich, aber schwierig. Noch komplizierter wird es, wenn die beklagten Glücksspielanbieter ihren Sitz außerhalb der EU haben. „Wenn die Post aus Deutschland bekommen, lachen sie sich kaputt“, weiß ein Anwalt, der auf solche Fälle spezialisiert ist. „Und dann werfen sie sie weg.“