Essen. Immer mehr Werbespots für Sportwetten prasseln auf TV-Zuschauer ein. Warum den Anbietern das nicht reicht und Suchtberater entsetzt sind.

Bayern gegen Dortmund, Manchester City gegen den FC Liverpool. Begegnungen, die auch die Kassen der Wettanbieter klingeln lassen dürften – und das dank des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) seit einiger Zeit sogar völlig legal. Von Begeisterung aber ist bei den 31 zugelassenen Anbietern wenig zu spüren.

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Ja, sagt Luka Andric, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV), er sei schon zufrieden mit dem Vertrag. Und dann korrigiert er: „Zufrieden, aber….“ „Aber die Regeln sind schon sehr, sehr restriktiv.“ Zu einschränkend anscheinend, um neue Kundenkreise zu erreichen.

Der Umsatz der Wettanbieter ist im Jahr 2022 gesunken

2022 lag der Umsatz von legalen Sportwetten auf dem regulären deutschen Markt bei 8,2 Milliarden Euro – und damit um 13 Prozent niedriger als noch ein Jahr zuvor. Die Sportwettensteuer sank von 470 Millionen Euro auf 433 Millionen Euro. Das alles sei aber nur zu einem geringen Teil mit dem enttäuschenden Abschneiden der deutschen Elf bei der Fußball-WM in Katar zu erklären, sagt Andric. Hauptgrund für den Marktrückgang, ist der Verband überzeugt, sei die „äußerst restriktive deutschen Regulierung“, die die Wetter immer stärker in den immer noch vorhandenen Schwarzmarkt treibe. „Die Kunden spielen nicht weniger als zuvor, sondern woanders“, behauptet DSWV-Präsident Mathias Dahms. Woanders heißt in diesem Fall auf einer der 723 Internetseiten mit Wettangeboten, auf denen sich von Deutschland aus nicht nur zugreifen sondern auch ein Wettkonto eröffnen lässt.

Branche fordert möglichst wenig Beschränkungen

Sportwetten: Ein Griff zum Handy und schon kann es losgehen.
Sportwetten: Ein Griff zum Handy und schon kann es losgehen. © REDPIXEL - stock.adobe.com | Adobe Stock

Um das zu ändern, müsse die zuständige Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) verstärkt gegen die illegalen Anbieter vorgehen, fordert der DSWV. Da sie dabei aber bisher sowohl im Netz als auch in den Innenstädten „sichtlich an ihre Grenzen“ gestoßen sei, müsse das legale Angebot gestärkt werden. Vor allem durch möglichst wenig Beschränkungen – sowohl beim eigentlichen Spiel als auch bei der Werbung dafür. Letztere sei im Vertrag nicht nur ausdrücklich erlaubt, sondern „erforderlich“, um „Kanalisierungsauftrag“ des Gesetzes zu erfüllen. Die Branche müsse mit ihrer Werbung Spielwillige auf ihr Angebot aufmerksam machen, um sie davon abzuhalten, bei illegalen Anbietern zu spielen.

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Aus dem Bereich des Profi-Fußballs gibt es keinen Widerspruch. Für die Vereine der Fußball-Bundesliga sind Wettanbieter ein wichtiger – weil lukrativer – Werbepartner. Die meisten Klubs haben einen „offiziellen Sportwettenpartner“, auch die deutsche Nationalmannschaft hat einen Werbedeal mit einem Wettanbieter abgeschlossen.

Behörde sieht Erfolge im Kampf gegen illegale Anbieter

Gegenwind kommt allerdings von der GGL. „Nach unserer Marktanalyse liegt die Kanalisierungsquote bei deutlich über 95 Prozent, das heißt bis auf weniger als fünf Prozent finden die Wetteinsätze gemäß den Steuerdaten des Bundesministeriums für Finanzen bei den erlaubten Sportwettanbietern statt“, betont Vorstand Ronald Benter. Und sein Kollege Vorstand Benjamin Schwanke ergänzt: „Wir können keine Verdrängung legaler Angebote durch illegale Angebote feststellen. Die vom DSWV angesprochenen illegalen Websites sind uns bekannt und werden glücksspielrechtlich verfolgt.“ Für den Rückgang bei legalen Wetten hat die Behörde dann auch eine ganz andere Erklärung. Der durch Corona bedingte Nachholbedarf sei eben vorbei. Den DSWV kann das nicht überzeugen. Man arbeite anscheinend mit „unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen“, sagt Andric.

Frances Trümper, Diplom-Sozialarbeiterin und Suchtherapeutin beim Arbeitskreis gegen Spielsucht e.V. in Unna kennt die Problematik der Sportwetten
Frances Trümper, Diplom-Sozialarbeiterin und Suchtherapeutin beim Arbeitskreis gegen Spielsucht e.V. in Unna kennt die Problematik der Sportwetten © Funke Foto Services GmbH | Kerstin Bögeholz

Frances Trümper, Diplom-Sozialarbeiterin und Suchtherapeutin beim Arbeitskreis gegen Spielsucht e.V. in Unna kennt die Argumentation der Sportwettenanbieter in Sachen Werbung. Wirtschaftlich gesehen sei das vielleicht schlüssig, ansonsten aber „vollkommen absurd“. „Illegale Angebote kriegt man nicht vom Markt, indem man die legalen hochrüstet. Da gerät man in eine Spirale, die sich irgendwann nicht mehr stoppen lässt.“

Am Ende ist eine Wette immer eine Vorhersage

Zudem sei Werbung für Sportwetten besonders perfide, weil in ihr nie von Glück, aber zwischen den Zeilen umso mehr von Kompetenz die Rede sei. „Pro musst du sein“, heißt es in einem Spot, „Wetten ist eben nichts für Amateure“ in einem anderen. Trümper weiß, was so etwas suggerieren soll. „Du kannst hier nur gewinnen, denn du hast Ahnung von Fußball.“ Vor allem junge Menschen seien dafür sehr empfänglich. „Am Ende aber ist eine Sportwette eine Vorhersage. Und die geht eben nicht immer auf. Selbst nicht, wenn Bayern München auf dem Platz steht.“

Außerdem sieht die Therapeutin – anders als der Sportwettenverband – auch einen Zusammenhang zwischen Werbung und der Zahl der Spielsüchtigen, von denen es in Deutschland geschätzt rund 430.000 gibt – oft junge Männer bis 25 Jahre sowie mit Migrationshintergrund oder einem eher niedrigen Einkommen. Die Werbung weise Neukunden ja nicht nur auf die Möglichkeit hin, sie mache neugierig aufs Wetten. Besonders riskant seien die Spots wegen ihrer Allgegenwärtigkeit für Menschen, die gerade versuchen, auszusteigen. „Denn sie hören ja oft nicht auf, Fußball zu schauen.“ Und Werbeblöcke verstärken die Rückfallgefahr, sagt Trümper. „Schon ein Spot kann reichen, um das Suchtgedächtnis anzufixen. Selbst die blinkenden Werbebanden im Stadionrund sind für betroffene Menschen schon Stress. Da ist es gut, wenn man sich selbst durch eine Sperre bei den Anbietern geschützt hat.“

Behörden sollen vor Ort mehr kontrollieren

Rund 40 Prozent der Sportwetten werden immer noch in stationären Wettbüros gemacht.
Rund 40 Prozent der Sportwetten werden immer noch in stationären Wettbüros gemacht. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Letzteres sieht sogar Luka Andric ähnlich: „Wir sind uns bewusst, dass das Produkt Sportwetten für eine geringe Zahl von Kunden problematisch werden kann. Aber genau dafür gibt es ja die Sperrdatenbank und weitere Spielerschutzmaßnahmen.“ Immerhin: In einem Punkt sind sich die meisten Suchtberater und viele Sportwettenanbieter sogar einig. „Man muss alles tun, um den illegalen Anbietern den Zugang zum Markt zu verschließen“, sagt Trümper. Online, schätzen Experten, sei es am vielversprechendsten, die Zahlungsströme zwischen Kunden und Wettanbieter zu unterbinden. In den Wettbüros vor Ort, wo immer noch rund 40 Prozent aller Wetten abgeschlossen werden, müssten die zuständigen Behörden mehr kontrollieren, um schwarze Schafe aus dem Verkehr zu ziehen.

„Die Regeln für legale Sportwettenwerbung“, sagt Trümper, „müssen noch viel enger gefasst werden.“ Sonst wächst die Zahl der Menschen, denen es egal ist, ob Bayern gegen Dortmund oder Köln gegen Gladbach spielt. „Bei vielen Abhängigen rückt der Fußball irgendwann in den Hintergrund“, hat Trümper immer wieder festgestellt. „Dann geht es nur noch darum, ob der Tipp aufgeht – egal auf welches Ereignis gewettet wurde.“

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