Ruhrgebiet. Erste Verkehrsbetriebe im Land haben das Bargeld abgeschafft: Man kann damit im Bus kein Ticket mehr kaufen. Was macht das Ruhrgebiet?

In Hamburg sollte mit dem 1. Januar mal wieder alles besser werden: Busfahrer und Busfahrerinnen würden nicht mehr mit Münzen hantieren müssen, Ablösungen im Fahrbetrieb würden sich beschleunigen, sogar der ganze Nahverkehr etwas schneller werden: Schließlich entfalle auch die Portemonnaie-Kramerei der Fahrgäste bei laufendem Motor im stehenden Bus. „So bezahlt man heute: bargeldlos“ wirbt der Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Ganz so reibungslos läuft es nicht an. Aber dazu später mehr.

Die großen Verkehrsunternehmen aus dem Ruhrgebiet schauen jedenfalls gespannt darauf, wie das funktioniert. Um das Mindeste zu sagen. Die Einschätzungen fallen allerdings unterschiedlich aus, besetzen die ganze Skala zwischen großer Skepsis und rasender Begeisterung. Fragt man zunächst die Verkehrsbetriebe von Wiesbaden, die schon seit dem September bargeldlose Erfahrung haben, überwiegt dort die Zufriedenheit.

Bogestra plant, entsprechende Geräte in den Fahrzeugen einzubauen

„Unsere Fahrgäste kommen gut zurecht und unsere Fahrer und Fahrerinnen berichten von einer deutlichen Entlastung im Betriebsablauf“, sagt die Kaufmännische Geschäftsführerin, Marion Hebding: „Insgesamt können unsere Kollegen und Kolleginnen die Haltestellen schneller verlassen.“ Mit dem Bus, versteht sich.

Auch die „Ruhrbahn“ (Essen, Mülheim) verfolgt, wie sich die Abschaffung des Barverkaufs von Fahrscheinen im Bus bei den Vorreitern entwickelt.
Auch die „Ruhrbahn“ (Essen, Mülheim) verfolgt, wie sich die Abschaffung des Barverkaufs von Fahrscheinen im Bus bei den Vorreitern entwickelt. © dpa | Marcel Kusch

Jetzt aber wirklich ins Ruhrgebiet. Die Ruhrbahn (Essen/Mülheim) würde „eine bargeldlose Lösung unterstützen“, heißt es, und ähnlich bei der Bogestra (Bochum/Gelsenkirchen/Teile des Ennepe-Ruhr-Kreises): „Wir beschäftigen uns mit bargeldlosem Ticketkauf in Bus und Bahn. Wir planen, entsprechende Geräte in unseren Fahrzeugen zu verbauen, sodass unsere Fahrgäste zukünftig bargeldlos bezahlen können.“ Die Möglichkeit bestehe ja weiter, Fahrscheine mit Bargeld an Automaten oder in Vorverkaufsstellen zu kaufen - und natürlich digital.

Vestische hat schon 430 Fahrzeuge umgerüstet

Letzteres gilt natürlich für alle befragten Unternehmen. Ansonsten bestehe „im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr die Zielsetzung, die Barzahlung abzuschaffen, und die Vestische unterstützt dieses Ziel“, so ihr Sprecher Christoph van Bürk. Die Vestische (Kreis Recklinghausen, Bottrop) hat 430 Fahrzeuge umgerüstet, in denen die Kunden mit Kredit- oder Girokarte bezahlen können. Allerdings nutzen es bisher nur wenige Fahrgäste: 1,8 Prozent. Aber auch die meisten anderen zahlen nicht mehr bar im Bus, sondern am Automaten oder digital.

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Tatsächlich ist der Anteil der Barzahler in den letzten Jahren schon sehr stark gesunken. Die wunderbaren „Wiener Linien“, bestes Öffis-Unternehmen im deutschsprachigen Raum und bargeldloser Vorreiter schon seit dem Jahr 2018, spricht von zuletzt „drei Tickets pro Tag und Lenker“, die bar bezahlt wurden, der Hamburger HVV von „zehn pro Bus und Tag“ im letzten Jahr. Und das Deutschland-Ticket hat deren Zahl zuletzt nochmals entschlossen gesenkt.

Verkehrsverbund denkt nach über ein Pilotprojekt

An Fahrscheinautomaten soll der Verkauf gegen Bargeld erhalten bleiben.
An Fahrscheinautomaten soll der Verkauf gegen Bargeld erhalten bleiben. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Auch die HCR (Herne/Castrop-Rauxel) und die Stoag (Oberhausen) haben bereits die Technik eingebaut, Karten zu akzeptieren. Letztere ruft ihre Kunden ausdrücklich dazu auf, das zu nutzen: „Sollte dies nicht möglich sein, halten Sie bitte passendes Kleingeld bereit.“ Sonst kann es nämlich sehr kompliziert werden mit der Barschaft: Wer mit einem größeren Schein bezahlt, auf den der Fahrer nicht herausgeben kann, bekommt eine Gutschrift über den offenen Betrag, die man im Kundencenter einlösen kann. Puuuh! Dann doch lieber gleich Karte. Einstellen werde man den Ticketverkauf gegen Bares im Bus nicht, so eine Sprecherin: „Zumindest nicht kurzfristig.“

Nicht gerade kurzfristig hört es sich auch beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) an, der Dachorganisation der einzelnen Betriebe. Er sieht gegebenenfalls „mehr Sicherheit in den Fahrzeugen, weil kein Bargeld vorhanden“ wäre, sowie „Abschwächen der negativen Effekte des Mangels an Fahrpersonal“. Zur Abschaffung des Barverkaufs sei es „denkbar, dass man mit einzelnen Verkehrsunternehmen oder mehreren, die ein zusammenhängendes Gebiet bedienen, sukzessiv und im Rahmen eines Pilotprojektes startet“.

DVG hat Bedenken wegen der Kosten der Technik

Die DVG (Duisburg) wäre wohl eher nicht vorne mit dabei. Man habe „bereits in den letzten Jahren in den Kunden-Centern und an den Ticketautomaten die digitalen Bezahlmöglichkeiten ausgebaut“, heißt es dort. Dabei spiele aber auch immer die Wirtschaftlichkeit eine Rolle: „Beim Ticketverkauf in Bussen ist das bargeldlose Bezahlen aufgrund der erforderlichen technischen Ausstattung sehr kostenintensiv“, heißt es. Man schaue sich zunächst die Erfahrungen an, die andere Verkehrsunternehmen machen.

Wie der Hamburger HVV in diesen Tagen. Der hat das Bargeld verabschiedet, Fahrgäste können stattdessen Beträge zwischen fünf und 150 Euro auf eine neue Karte laden und den jeweiligen Fahrpreis an einem Lesegerät im Bus abbuchen lassen. Das Problem: Diese im Sommer eingeführte Karte verkaufte sich bis Dezember 4000 Mal - und seitdem, weil die Trennung vom Bargeld bevorstand, weitere 23.000 Mal. An vielen Stellen war sie schnell ausverkauft. Bis Karten nachgeliefert werden, so der HVV, „können Fahrgäste, die keine Bezahlkarte haben, im Bus bis zur nächsten Haltestelle mit Verkaufsmöglichkeit mitfahren“. Nach schnellerem Nahverkehr klingt das nicht direkt.