Köln. Der aggressive Kampf ums große Geld und die Tragik seiner kleinen Opfer: Der Kölner „Tatort: Pyramide“ liefert packende Einblicke.

Köln. In diesem verglasten Großraumbüro muss der Erfolg wohl zu Hause sein. „Kommt raus aus eurer Opferrolle, holt euch eure Provisionen“, brüllt der Chef, randvoll mit Testosteron, und seine Jünger jubeln um die Wette: Wer kann uns jetzt noch aufhalten? Da springt man auch mal mit dem Maßanzug in den Pool, wenn der Boss zur Provisions-Party ins Luxus-Eigenheim lädt.

Das hat man so ähnlich und auch schon überzeugender in amerikanischen Filmen wie „The Wolf of Wall Street“ gesehen - aber die Auswüchse des Kapitalismus beim Direktvertrieb, beim Telefonhandel mit hochriskanten Wertanlagen, die liefern auch spannenden Stoff für einen deutschen Krimi, nämlich den Kölner „Tatort: Pyramide“ (Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr)

An der Spitze der Pyramide steht der große Abkassierer

An der Spitze der Pyramide, so will es das simpel konstruierte Ausbeutungssystem, steht der große Abkassierer, der an jedem Verkauf seiner Leute mitverdient. Robin Sondermann bedient mit einer kaum erträglichen Mischung aus arroganter Lässigkeit und maximaler Skrupellosigkeit durchaus ein paar Alphatier-Klischees, aber kleine Teufel wie diesen Komann, den er mit sichtbarer Hingabe spielt, die gibt es da draußen. Und all die Träumer, die ihrer Verführungskraft erliegen und ihnen hinterherrennen, weil die Gier nach leicht verdientem Geld ganz schnell den Verstand verschluckt.

Zum Beispiel André Stamm (Rouven Israel), ein furchtbar netter Kerl, der sich und seiner schwangeren Frau (Roxana Samadi) gerne mal eine größere Wohnung gönnen würde. Sein alter Kumpel vom Bund, Rocko (Oleg Tikhomirov), Komanns rechte Hand, wohnt doch schon im Penthouse - da will er auch hin. Und wenn die Kaltakquise bei Fremden nicht so gut funktioniert, dann doch bestimmt das Geschäft mit Freunden und der eigenen Verwandtschaft.

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Man muss das starke Drehbuch von Arne Nolting und Martin Scharf nicht kennen, um die Tragik vorherzusehen, die sich in Schüben entfaltet, die Katastrophe, auf die Stamm zusteuert. Ein Opfer, das andere ebenfalls zu Opfern macht. Rouven Israel gelingt es mit hoher Intensität, dass das Mitleid mit diesem armen Vogel stets den Hohn des Betrachters über seine Leichtgläubigkeit aussticht.

Eine entführte Frau und ein toter Anwalt

Dass er scheitern wird, deutet sich schon zu Beginn an, denn da sitzt er zum Verhör bei Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär), die ihn verdächtigen, Rockos Frau (Sophie Pfennigstorf) entführt zu haben. Und dann wäre ja noch der Mord an einem Verbraucherschutz-Anwalt (Kasem Hoxha) zu klären, der Komann und seine Firma ins Visier genommen hatte. Und warum hält Rocko seinem Chef plötzlich eine Pistole an den Kopf, damit der öffentlich gestehen möge, dass sein Verkaufsmodell ein einziger Betrug ist?

Charlotte Rolfes inszeniert die in Kapiteln und Rückblenden geschickt erzählte Geschichte über zerstörte Hoffnungen, maximale Rücksichtslosigkeit und einen Wettlauf mit der Zeit mit Wucht und viel Talent für dramatische Zuspitzungen. Dass die alten Polizeifreunde Ballauf und Schenk da fast zu Randfiguren werden, mag man ihr gar nicht übelnehmen. So gut war der Kölner „Tatort“ lange nicht.