Essen. . In der Monumental-Satire „The Wolf of Wall Street“ wird Leonardo DiCaprio von der Gier nach Geld getrieben. Es ist sein fünfter gemeinsamer Film mit Martin Scorsese und ein ausgesprochen gelungener obendrein.

Er ist ein Mann, der Zwerge engagiert, um sie von seinen Mitarbeitern quer durch das Großraumbüro auf eine Zielscheibe werfen zu lassen. Er ist einer, der einer Sekretärin in Geldnot mal eben 10.000 Dollar anbietet, wenn sie sich vor den Augen der Kollegen den Kopf kahlscheren lässt. Überhaupt Frauen: Die sind für ihn eigentlich nur dann akzeptabel, wenn man sie ordern kann, um mit ihnen im Privatjet Orgien zu feiern. Und ganz nebenbei erleichtert dieser Börsenmakler Jordan Belfort mit seiner Mitarbeiter-Gang auch noch unzählige hoffnungsvolle Klein- und Großanleger vorsätzlich um ihr Geld, um sich selbst die Taschen zu füllen.

Der Großmeister des Kinos und seine Kunst der Manipulation

Nein, mit diesem Gauner und Manipulierer, mit dieser in jeder Beziehung gewissenlosen menschlichen Ratte möchte man eigentlich nicht in Kontakt kommen. Es sei denn, man begibt sich in Martin Scorseses Monumental-Satire „The Wolf of Wall Street“ und lässt sich von einem Großmeister des Kinos nach Herzenslust manipulieren.

Scorseses Film liegt zwar die Biographie des real existierenden Belfort zugrunde, ein akkurates „Biopic“ aber verweigert er uns beharrlich. Stattdessen besetzt er die Hauptrolle wieder einmal mit Leonardo DiCaprio (ihr fünfter gemeinsamer Film!), lässt ihn die himmelsstürmende Karriere des Betrügers in direkter Ansprache ans Publikum erzählen und zielt damit auf die niederen Instinkte in einem jeden von uns. Selbst wenn er mit gewinnendem Lächeln von den Tricks erzählt, mit denen man vertrauensselige Kunden in den Ruin treiben kann, kocht da im Betrachter nicht etwa Wut hoch, sondern höchstens so etwas, das zwischen Mitleid und klammheimlicher Kameraderie schwankt.

DiCaprio spielt herrlich selbstverliebt

Dabei tut DiCaprio in einer schier überschäumenden Darstellerleistung nun wirklich alles, um seinen selbstverliebten Belfort als in jeder Beziehung amoralischen Charakter zu zeichnen. Schon nach vier Stunden in der Wall Street findet dieser Typ in dem Broker Mark Hanna (starker Kurzauftritt: Matthew McConaughey) bereits seinen ersten Lehrmeister in Sachen Anlegerbetrug. Aber erst vier Jahre später, nach dem großen Börsencrash 1987, kann unser schmieriger Held mit seiner eigenen Firma Stratton Oakmont so richtig loslegen. Als er 26 Jahre alt ist, beträgt sein Gewinn pro Jahr bereits 49 Millionen US-Dollar. Allmählich wird da auch das FBI auf den Großverdiener aufmerksam.

Um sein Gewissen auszuschalten und wohl auch, um einen Ersatz für fehlende soziale Kommunikation zu finden, stürzt sich Belfort in einen wahren Drogenrausch, verabreicht sich alles, was auf dem Markt so angeboten wird. DiCaprio schnauft sich dabei durch ganze Berge von Kokain und Quaaludes, ist deshalb auch nicht wenige Zeit des Films völlig bedröhnt, vermag entweder nur noch zu lallen oder wirkt aufdringlich euphorisiert. Auf dem Höhepunkt seiner Abhängigkeit riskiert er eine Mixtur, die ihm die völlige Kontrolle seines Körpers entzieht. Sabbernd und stöhnend sieht man ihn da verzweifelt über den Boden robben, weil er angesichts einer drohenden Razzia irgendwie sein Auto erreichen will. DiCaprio gibt dabei alles, und es ist wohl Scorseses immer noch feinem Gespür zu verdanken, dass er sich dabei nie ins fatale „Overacting“ steigert.

Martin Scorsese will nur noch wenige Filme drehen

Scorsese ist inzwischen 71 Jahre alt, will nach eigener Auskunft wohl nur noch einige wenige Filme drehen. Sein „Wolf of Wall Street“ aber zeigt ihn völlig unverbraucht wirkend wieder einmal auf der Höhe seiner Kunst. Allein seine Hingabe dafür, auch Nebenrollen aufregend zu gestalten, kann man hier ausgiebig studieren. Belforts Compagnon Donnie Azoff beispielsweise wird durch den Darsteller Jonah Hill ganz unmerklich immer mehr zu einem dicklich-schmierigen Spiegelbild seines Herrn.

Rob Reiner, selbst ein Regisseur, macht aus seiner Verkörperung von Belforts Vater und Berater „Mad Max“ ein bewundernswertes Individuum, das vom ausufernden Wutausbruch blitzschnell in gepflegte Konversation umschalten kann. Und Kyle Chandler spielt seinen FBI-Ermittler exakt so, wie Belfort ihn sich vorstellt – als langweiligen Aktenhengst, der von den Frauen nur träumen kann, die sein Jagdziel inzwischen reihenweise vernascht.

Wertung: viereinhalb von fünf Sternen