Haltern. Der Einhandsegler Martin Daldrup aus Haltern ist im Südatlantik aus Seenot gerettet worden. Wie er den Untergang seines Bootes erlebte.

Martin Daldrup ist noch immer auf hoher See, ist an Bord des Frachters Alanis, dessen Besatzung ihn vergangenen Freitag in einer ebenso stürmischen wie verregneten Nacht in seiner Rettungsinsel gefunden und an Bord genommen hat. 18 Stunden ist er zuvor auf einem gerade einmal zwei Quadratmeter großen Stück Plastik auf dem offenen Meer getrieben – über 1000 Seemeilen entfernt von der brasilianischen Küste und weitab von jeder Schifffahrtsroute. „Dramatische und schwere Stunden“ seien das gewesen, erzählt der 59-Jährige jetzt auf seinen Social-Media-Kanälen.

Gleichzeitig waren sie das – zumindest vorläufige Ende – eines großen Plans. Vor etwas mehr als zwei Monaten ist der aus Haltern am See stammende Einhandsegler mit seinem Boot „Jambo“ an der US-amerikanischen Ostküste zu seinem Törn gestartet. Von New York soll es nach Südafrika gehen. Daldrup macht so etwas nicht zum ersten Mal. Vor drei Jahren schon ist er alleine von der Karibikinsel Sint Maarten nach Helgoland gesegelt. 5130 Seemeilen in 42 Tagen.

Mit einem lauten Knall fängt das Unglück an

Zunächst läuft alles weitgehend nach Plan. Das ändert sich allerdings am vergangenen Donnerstag. Bei Windstärke 5 ist Daldrup unterwegs, „als es plötzlich im Boot einen lauten Knall gibt“. Danach hat er keine Ruderwirkung mehr, „kann aber oben im Cockpit erst einmal nichts feststellen“. Er holt das Vorsegel ein, legt das Großsegel bei, um die Ruderanlage zu inspizieren. Dafür muss er die Kabine frei räumen. Dass er dabei Wasser rauschen hört, ist kein gutes Omen.

Hatte Glück im Unglück: Weltumsegler Martin Daldrup
Hatte Glück im Unglück: Weltumsegler Martin Daldrup © Daldrup | Daldrup

„Ich schaue in den Salon und dort steht das Wasser schon über den Bodenbrettern“, schildert Daldrup die dramatischen Minuten. „Sofort schalte ich die Bilgepumpe ein und setze innerhalb der nächsten Minute eine 220V-Tauchpumpe ein.“ Dann holt er aus einer Kiste eine weitere 220V-Pumpe. Doch als er sie einsetzen will, steht das Wasser trotz der beiden laufenden Pumpen 20 cm höher. Als erfahrener Segler macht sich Daldrup nichts vor: „Das Boot sinkt zu schnell.“

Loch im Rumpf - Notruf über Satellit landet in Bremen

Mittlerweile glaubt er auch den Grund dafür zu kennen. „Ich vermute, dass eine Unterwasser-Kollision das Ruder abgerissen hat und dabei auch ein Loch in den Rumpf am Heck gerissen wurde. Daher der laute Knall. Möglicherweise ist auch ein Loch in den Steuerbordrumpf gerissen worden.“ Daldrup hat keine Wahl, schweren Herzens muss er die Jambo aufgeben. „Viele Jahre bin ich mit ihr gesegelt und habe so viel mit ihr erlebt. Liebevoll habe ich sie über Jahre ausgestattet und dabei viel Zeit, Arbeit und auch Geld in sie investiert.“

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Doch nun geht es um sein Leben. Er wirft die Rettungsinsel ins Wasser „und sie steht zum Glück nach kurzer Zeit“. Ausgerüstet mit Trinkwasser, ein paar Lebensmitteln und vielen Powerbanks klettert Daldrup an Bord. Zuvor hat er per Satellit noch einen Notruf abgesetzt. Der landet in der Nacht auch bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). „Natürlich haben wir sofort reagiert“, sagt DGzRS-Sprecher Ralf Baur. Doch Daldrups Insel treibt irgendwo im Nirgendwo. Das nächste Schiff ist 200 Seemeilen entfernt und braucht trotz sofortiger Kursänderung und Höchstgeschwindigkeit 18 Stunden, bis es sich nach der Alarmierung durch meterhohe Wellen zum Standort der Insel durchgekämpft hat.

Viel Lob für die Besatzung des Frachters, die ihn gerettet hat

„Das Manöver, das die „Alanis“ dann gefahren ist, um so nah an meine Rettungsinsel zu kommen, dass ich eine Leine fangen konnte, war aus meiner Sicht brillant“, lobt Daldrup. „Ich hätte nicht gedacht, dass das mit einem so großen Frachtschiff unter diesen nicht ganz einfachen Seebedingungen möglich ist.

Über 1000 Seemeilen von der brasilianischen Küste ist die „Jambo“ gesunken.
Über 1000 Seemeilen von der brasilianischen Küste ist die „Jambo“ gesunken. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Über eine Strickleiter habe er dann „mit Unterstützung von oben“ sicher die Bordwand des kapitalen Frachters hochklettern können. Auch das habe ich mir vorher so nicht vorstellen können.“ Die Crew habe die Rettungsaktion aus der Insel sehr professionell und mit den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt. Am frühen Freitagmorgen ist der Halterner gerettet, unterkühlt, ansonsten aber unverletzt.

„Im Moment möchte ich wieder segeln“

Mittlerweile ist er fünf Tage an Bord des Frachters. „Ich habe die Zeit genutzt, um zur Ruhe zu kommen und mich weiter zu erholen. Erst hinterher merkt man, wie erschöpft man doch wirklich war und dass die Zeit in der Rettungsinsel und der Aufstieg an der Bordwand viel Kraft gekostet haben.“ Mitte nächster Woche soll die „Alanis“ Südafrika erreicht haben. Seine Freundin Anke wird dann bereits vor Ort sein. „Wir werden die Zeit in Südafrika in Abgeschiedenheit nutzen, um zur Ruhe zu kommen“, sagt Daldrup.

Es sei bei der Rettung „viel Glück“ im Spiel gewesen, heißt es bei der DGzRS. Das weiß Daldrup, dankt aber gleichzeitig seiner Freundin und seinem Freund Chris, „die in Deutschland für mich die Fäden gezogen haben“, sprich ihn übers Satellitentelefon auf dem Laufenden gehalten haben ebenso wie den Seenotrettern in Deutschland und Brasilien, die die internationale Rettungsmaßnahme koordiniert habe sowie der Crew und dem Kapitän der „Alanis“.

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Wie es weitergeht? „Bei einem Reiter sagt man: wenn er vom Pferd gefallen ist, soll er so schnell wie möglich wieder aufsteigen“, schreibt Daldrup. „Ich denke, das gilt ähnlich für den Segler, und im Moment möchte ich wieder segeln.“

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