Unna/Düsseldorf. Mit 90 Millionen Euro hat die Regierung den Aufbau einer deutschen Schutzmaskenindustrie gefördert. Warum trotzdem weiter in Asien gekauft wird.
Die Infektionszahlen steigen und damit auch die Nachfrage nach Masken. Mit 90 Millionen Euro hat die Regierung in den Aufbau einer deutschen Maskenindustrie investiert. Nun kauft sie doch wieder in Asien – auch Firmen aus dem Revier gehen bei Ausschreibungen leer aus.
„Nie wieder“, heißt es im Frühjahr und Sommer 2020. Nie wieder wolle man bei Schutzmasken und –Kleidung abhängig sein von ausländischen Herstellern, verkünden Politiker in Bund, Land und Kommunen. Die Regierung reagiert und beschließt, deutsche Firmen, die Masken und Schutzkittel vor Ort herstellen wollen, mit 90 Millionen Euro zu fördern. Im Gegenzug dürfen die Masken-Hersteller ihre Ware nicht ins Nicht-EU-Ausland exportieren, außerdem müssten die staatlich geförderten Maschinen bis Ende 2025 vorgehalten werden.
Unternehmen investierten selbst 210 Millionen
Beides schreckt die Branche nicht. Im Gegenteil: 210 Millionen, sagt der Maskenverband Deutschland, in dem 75 Hersteller zusammengeschlossen sind, haben die Unternehmen selbst noch investiert. Zumal ja auch die „Nationale Reserve Gesundheit“ (NRGS) ins Leben gerufen wird. Sie soll – aufgebaut in drei Phasen – künftig für einen Zeitraum von sechs Monaten den Bedarf an medizinischen Gütern decken können, wenn in den Lagern von Ländern und Kommunen nicht mehr genug liegt. Produziert werden soll nach Möglichkeit in Deutschland.
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Christian Scharlach und Daniel Lamping, Geschäftsführer des Unternehmens „D Maske“ in Unna, lassen sich locken. „Wir haben das echt geglaubt“, sagt Scharlach. „Haben geglaubt, dass sich etwas ändert.“ Sie kaufen Maschinen, finden Lieferanten für den Rohstoff und stellen Leute ein. Wo zuvor zehn Mitarbeiter Folien für Büromaterialien produziert haben, stellen nun 80 Angestellte Masken her. Im August 2020 ordert die Bundesregierung zehn Millionen Stück, „Es lief gut“, sagt Lamping.
Landesreserve in NRW beträgt 3,5 Millionen Masken
Das tut es schon längst nicht mehr. Zum einen natürlich, weil die Pandemie zu Ende geht und die Maskenpflicht fällt. „Das war uns klar“, sagt Scharlach und spricht von „ganz normalem unternehmerischem Risiko“. Dann droht im Frühsommer bei vielen der von Bund und Land eingelagerten Masken das Mindesthaltbarkeitsdatum abzulaufen. Bevor es so weit ist, werden die Masken an Krankenhäuser und soziale Einrichtungen verschenkt. „Völlig richtig“, findet der Unternehmer aus Unna das, aber für das Geschäft natürlich „unglücklich“.
Nachgekauft wird auch nicht. Nein, heißt es aus dem Landesgesundheitsministerium, die Landesreserve umfasse aktuell noch rund 3,5 Millionen Mund-Nasen-Schutzmasken mit Verfall Juli 2024. „Neuanschaffungen sind derzeit nicht geplant.“ Es sei auch kein Auftrag des Bundes bekannt, nachdem die Länder einen Monatsvorrat an Masken, Beatmungsgeräten oder Tests bevorraten müssten. Zumindest nicht im Rahmen der NRGS. Allerdings seien die Länder verpflichtet, „entsprechende medizinische Schutzausrüstung im Rahmen des Zivil- und Katastrophenschutzes zu beschaffen und vorzuhalten“, sagt eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums.
„Bekommen bei Ausschreibungen keine Zuschläge mehr“
Selbst wenn sie das tun, kommt die Ware dafür nicht aus dem Inland. „Wir haben schon bei Ausschreibungen 2021 keinen Zuschlag mehr bekommen“, sagt Scharlach. So gut wie keine deutsche Firma hat den bekommen. „Als wir unsere Produktionskapazitäten aufgebaut hatten“, bestätigt Stefan Bergmann, Sprecher des Maskenverbandes Deutschland, „haben alle wieder in China bestellt.“ Von den rund 70 Mitgliedern des Verbandes produzieren derzeit deshalb nur noch sechs. Auch bei D-Maske in Unna hat man sich wieder umgestellt. Zwar gibt es Masken im firmeneigenen Online-Shop immer noch zu kaufen, Schwerpunkt aber ist mittlerweile die Herstellung von Papierhandtüchern oder Liegenauflagen aus Recyclingpapier – besonders für an Nachhaltigkeit interessierte Ärzte und Krankenhäuser.
Da alle Vergabeverfahren „dem nationalen und europäischen Vergaberecht unterliegen“, könne die Bundesregierung nicht pauschal heimische Hersteller priorisieren, heißt es dazu aus dem Bundesgesundheitsministerium. Das schließe aber nicht aus, dass öffentliche Auftraggeber in ihren Ausschreibungen bestimmte Parameter wie Versorgungssicherheit oder Standortfrage aufnehmen können. Vorgeschrieben ist das aber nicht: „Die Festlegung konkreter Anforderungen obliegt den Beschaffungsstellen bei der Gestaltung ihrer jeweiligen Vergabeverfahren.“
„Am Ende zählt wieder nur der Preis“
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„Am Ende zählt wieder nur der Preis“, sagt Bergmann. „Und da können wir in Deutschland natürlich nicht mithalten“, gibt Scharlach zu. Spätestens Ende 2025, schätzt der Verband, würden die meisten Maschinen wohl wieder abgebaut und ins Ausland verkauft. Kurzfristig hochfahrbare Kapazitäten gebe es dann nicht mehr. Schon vorher aber wäre eine Wiederaufnahme der Produktion in großem Stil schwierig. „Klar, die Maschinen haben wir natürlich noch“, erklärt Scharlach. „Aber das Personal, das sie bedienen kann, ist längst wieder weg.“
Deshalb blickt Scharlach skeptisch in die Zukunft. „Die Lichter in der Maskenindustrie werden wieder ausgehen“, fürchtet er. Bergmann teilt diese Sorge und kann nicht verstehen, dass die Politik nichts dazugelernt hat. „Wir stehen bald wieder da, wo wir vor Corona standen. Aber was, wenn ein neues Virus kommt?“ Der Firmenchef aus Unna kann das mit einem Satz beantworten. „Dann“, sagt Scharlach, „schlittern wir wieder in die Katastrophe.“