Essen. Fragen und Antworten zum ersten Winter nach der Pandemie: Was tun, wenn ich mich krank fühle? Wo gibt’s Tests? Wer braucht eine erneute Impfung?

Die letzten Corona-Schutzregeln sind im Frühjahr gefallen. Selbst mit positivem Test will sich daher mancher nicht mehr isolieren. Gefährlich? Andere macht unsicher, ob ihr Impfschutz noch ausreicht. Ein neues, an die aktuell dominierenden Sars-CoV-2-Virus-Varianten Eris und XBB angepasstes Vakzin ist seit Montag erhältlich – doch was taugt es, für wen ist ein Booster überhaupt sinnvoll? Fragen und Antworten.

Wer braucht jetzt noch eine Corona-Schutz-Impfung?

„Menschen über 60 und Vorerkrankte profitierten von einer Auffrischungsimpfung gegen Corona. Das bestätigen Daten aus Israel“, erklärt Prof. Ulf Dittmer, CHef-Virologe der Universitätsmedizin Essen – und schließt sich damit der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) an. Der Forscher plädiert zudem für das neue – an die XBB-Variante angepasste – Vakzin, das auch vor dem Eris-Erreger schütze. Seit Montag ist es in den Praxen (und Apotheken) vor Ort erhältlich. Der Abstand zur letzten Impfung oder Infektion sollte wenigstens zwölf Monate betragen.

Der neue  – an die derzeit  dominierenden Virus-Varianten angepasste – Impfstoff von Biontech/Pfizer ist seit Montag in den Praxen und Apotheken erhältlich. Eine Gläschen enthält sechs Dosen.
Der neue – an die derzeit dominierenden Virus-Varianten angepasste – Impfstoff von Biontech/Pfizer ist seit Montag in den Praxen und Apotheken erhältlich. Eine Gläschen enthält sechs Dosen. © dpa | Christophe Gateau

Der Virologe verleugnet nicht, dass es auch durch die Impfung zu schweren gesundheitlichen Schäden kommen könne, zu Herzbeutel- oder Nervenentzündungen etwa. „Das passiert bei ungefähr einer von 10.000 Impfungen mit einem mRNA-Vakzin“, räumt er ein, „aber die Gefahr, dieselben Schäden als Folge einer Infektion zu erleiden, ist mindestens um das Zehnfache größer.“

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Selbst eine Grundimmunisierung für bislang nicht Geimpfte über 60 hält Dittmer für noch sinnvoll, auch wenn Omikron weniger aggressiv als Delta sei. Für Oktober werde zudem die Zulassung für einen neuen, ebenfalls angepassten Protein-Impfstoff gegen Corona erwartet: Nuvaxovid – „vielleicht eine Alternative für alle, die partout kein mRNA-Vakzin wollen“. In den klinischen Studien habe Nuvaxovid nicht schlechter als diese abgeschnitten, sei sogar ein wenig besser verträglich gewesen, der Impfstoff werde auch schon produziert.

Fast 82 Prozent der Menschen in NRW sind mindestens einmal gegen Corona geimpft, knapp 80 Prozent sind grundimmunisiert. Wer wissen möchte, ob sein Impfschutz noch ausreicht, findet im Online-„Impfcheck“ Orientierungshilfe.

Wie groß ist die Nachfrage?

„Aktuell sehen wir keine Impfmüdigkeit, die vulnerable Bevölkerung fragt aktiv nach“, so Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein. Viele Chroniker-Patienten planten die Auffrischung des Impfschutzes für die nächsten Wochen ein – auch im Bereich Westfalen-Lippe. „Interessant wird in Richtung Herbst für viele sicherlich die Möglichkeit einer simultanen Coronaauffrischungs- und Grippeimpfung“, ergänzt Vorsitzende Anke Scheer-Richter.

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„Ärgerlich“ sei, so Baaken, dass das Vakzin derzeit nicht als Einzeldosis an die Praxen geliefert werden könne, sondern nur in Fläschchen mit sechs Dosen. „Für die Praxen bedeutet das einen deutlichen Mehraufwand in der Organisation: Jedes Mal, wenn eine Biontech-Impfung notwendig wird, müssen schnell fünf weitere Impflinge organisiert werden.“

Was ist mit anderen Impfungen?

Dittmer und Stiko empfehlen Älteren (Ü60) im Herbst auch eine Influenza-Impfung, „unbedingt!“. Für die drei in diesem Jahr neu zugelassenen Impfungen gegen RSV-Infektionen fehlt die Stiko-Empfehlung noch: Abrysvo (als „maternales Vakzin“ für Schwangere sowie für Ältere, voraussichtliche Auslieferung laut Apothekerverband Nordrhein: Oktober), Arexvy (für Menschen ab 60, verfügbar seit August) sowie Beyfortus (für Säuglinge, erhältlich seit Anfang des Jahres). Eine entsprechende Entscheidung sei für dieses Jahr auch nicht zu erwarten, erklärte Prof. Klaus Überla, Sprecher der zuständigen Stiko-Arbeitsgruppe.

Die Bochumer Kinderpneumologin Prof. Folke Brinkmann hält insbesondere die Idee des maternalen Impfstoffs aber für „bestechend“: Die Antikörper, die die Mutter nach der Impfung bildet, gibt sie über die Plazenta und das Stillen weiter ans Baby, dass so ebenfalls immunisiert wird. Bei Grippe oder Keuchhusten funktioniere das bereits gut, sagt die Expertin, die inzwischen die Pädiatrische Pneumologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck leitet. Bei RSV, zeige eine Studie, schütze die Impfung in den ersten drei Monaten zu über 70 Prozent vor schweren Verläufen. Es gebe aber Hinweise auf eine leicht höhere Frühgeborenen-Rate, das erschwere eine abschließende Bewertung. „Da brauchen wir ein ganz klares Signal, dass dieser Impfstoff sicher ist, bevor er angenommen wird.“

Wo bekomme ich den Booster?

Beim Betriebs-, Haus- oder einen anderen niedergelassenen Arzt, in Pflegeeinrichtungen oder Apotheken. „In 500 der 3800 Apotheken in NRW wird gegen Corona und Grippe geimpft“, sagt Thomas Preis, der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein. Auf Wunsch auch in einem Termin: „Eine Impfung in den einen, die andere in den anderen Arm“.

Welche Corona-Regeln gelten eigentlich noch?

Keine. Die Test- und Quarantäneverordnung NRWs ist zum 31. Januar ausgelaufen. „Somit endete zu diesem Zeitpunkt auch die Pflicht, sich im Falle einer Corona-Infektion fünf Tage in häusliche Isolierung zu begeben“, erklärt Charlotte Dymek für das MAGS. Die letzten verbliebenen Schutzmaßnahmen im Infektionsschutzgesetz des Bundes, etwa das Tragen von Masken beim Besuch in Kliniken oder Heimen, kippten am 7. April.

Sind Tests und Masken überhaupt noch sinnvoll – und verfügbar?

Hat die Corona-Schutzmaske ausgedient? Nein, sagen die Experten. Im Herbst und Winter könnte es erneut sinnvoll sein, sie zu tragen.
Hat die Corona-Schutzmaske ausgedient? Nein, sagen die Experten. Im Herbst und Winter könnte es erneut sinnvoll sein, sie zu tragen. © dpa | Marijan Murat

„Der Mund-Nasen-Schutz wirkt“, sagt Dittmer, „und das heißt: wer sich bedroht fühlt, sollte Maske tragen, im Bus, oder wenn er unter Menschen geht.“„Wenn wir wieder in schweres Fahrwasser kommen, etwa, weil Grippe- und Corona-Welle zusammenfallen, müssen wir auch wieder über eine Maskenpflicht für den Gesundheits- und Pflegebereich nachdenken.“ Gerade dort, wo man keine Masken tragen könne, „etwa beim Weihnachtsessen mit der ganzen Familie“, könnten zudem auch Tests noch sinnvoll sein. „Um Alte oder Vorerkrankte vor einer ungewollten Ansteckung zu schützen.“

Im Internet sind fünf Selbsttests im Pack für 1,49 Euro zu finden und 20 EU-zertifizierte 20 FFP2-Masken für 6,99 Euro – beides lieferbar vom einem auf den anderen Tag.

Was tun, wenn man sich krank fühlt, hustet, schnieft und/oder Fieber hat?

„Bleiben Sie zuhause, treffen Sie möglichst wenige andere Menschen, tragen Sie mindestens eine Maske, wenn Sie aus dem Haus gehen“, rät der Virologe. „Der Fremdschutzgedanke ist ein guter, leider bei uns lange nicht so weit verbreitet wie in Asien.“ Ob man an Corona oder einer anderen Atemwegserkrankung leide, mache in diesem Zusammenhang keinen großen Unterschied. „Grippe und RSV sind nicht weniger gefährlich.“