Ruhrgebiet. Viele Eltern im Ruhrgebiet üben jetzt mit ihren Kindern den Schulweg. Wie Katharina mit Matheo in Dortmund. Worauf sie nun besonders achten.
Wenn der Weg frei scheint und geradeaus führt, ist der Blick nach links und rechts ja immer besonders wichtig. „Du musst gucken, ob die abbiegen wollen oder nicht“, sagt Katharina Maday an einer Kreuzung zu ihrem Sohn Matheo. Und an einer anderen: „Siehst du, das Auto lässt uns nicht.“ Kann man nichts machen. Muss man selber warten. Schlauer ist das. Viel, viel schlauer. Matheo übt seinen Schulweg. Der Weg ist das Ziel.
Denn am kommenden Dienstag, am 8. August, beginnt für zehntausende Mädchen und Jungen im Ruhrgebiet die Schule. Erstmals: Sie kommen in die 1. Klassen. Auch wenn viele Eltern sie noch länger begleiten werden, müssen sie ihren Schulweg beherrschen. Das A und O beginnt in diesem Fall mit Ü: „Üben, üben, üben“, sagt Katharina Maday.
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Der Fußweg ist sicherer als das Auto - und sowieso spannender
Wie so viele andere Eltern im Ruhrgebiet, macht sie das in dieser und der nächsten Woche mit Matheo. Der Sechsjährige hat den Tornister geschultert, sein künftig täglicher Weg zur Schragmüllerschule im Dortmunder Norden ist vielleicht knapp einen Kilometer lang. Kein Weg, den er gut kennt: Die Kita, die Geschäfte sind woanders. „Worauf musst du hier achten?“, fragt die Mutter an einer Kreuzung, sagt an anderer Stelle: „Jetzt kannst du gehen.“
Alle Experten und Expertinnen, ausnahmslos alle raten den Eltern kleiner Grundschulkinder, sie den Schulweg laufen zu lassen - irgendwann später ist das Fahrrad eine Alternative. Laufen, weil es sicherer ist als im Auto, weil man Freunde trifft, ein bisschen schwatzen kann und Geheimnisse erfährt; weil man einfach spannende Dinge sieht und erlebt - anders als auf der Rückbank.
„Ich merke, ob Kinder gefahren wurden oder gelaufen sind“
Katharina Maday, die selbst in Herne als Grundschullehrerin arbeitet und die dort die „Mobilitätsbeauftragte“ ist, sagt sogar: „Ich merke in der ersten Stunde, ob Kinder gefahren wurden oder gelaufen sind. Die gelaufen sind, sind fitter und wacher. Wir predigen das auch unseren Eltern: Zu Fuß!“ Geht doch.
In aufmerksamer Begleitung des Kindes ist in der Straße, in der die Familie doch schon lange wohnt, plötzlich manches anders. „Was mir gerade auffällt: Die Autos stehen alle gar nicht richtig“, sagt sie an einer zu dicht beparkten Einmündung, die der Junge überqueren muss. Und ob der Fahrradweg tatsächlich durchgehend ist oder nicht, auch das entdeckt sie erst an diesem Nachmittag.
An mancher Ausfahrt kann man nicht sehen, ob jemand kommt
1000 Meter Vorstadtstraße mit Durchgangsverkehr. Eine typische Ruhrgebietsstraße ist das: Mehr- und Einfamilienhäuser, Läden und Leerstand, Kneipe, Imbiss, Spielhalle, etwas Kleingewerbe, ein andere Schule. Ausfahrten, begrenzt von Mäuerchen, so dass der Fahrer nicht sieht, ob auf dem Bürgersteig jemand kommt. Ein Kind gar. Das A und O ist hier das A - A wie Abstand
Insgesamt aber: nicht gefährlich, doch gucken muss man schon. Und nicht in die Luft. Erste Seitenstraße. Dann erste Rechts-vor-links-Einmündung. Dritte Seitenstraße, vierte . . . „Du musst sicher sein, dass der Autofahrer dich sieht, Matheo.“ Keine Ampeln. „Was schön ist: dass da manchmal Zebrastreifen sind.“
Alle Freunde Matheos kommen aus einer anderen Richtung. Jan, Mila und alle, sie treffen sich erst direkt an der Schule. „Ich mache mir schon Gedanken, dass wir kein Kind finden, das den Weg mit ihm geht. Vielleicht gibt es ja andere, die wir noch nicht kennen.“ Wenn es sie aber gibt, dann werden sie in diesen Tagen auftauchen. Der Weg ist das Ziel.