Herten/Bottrop. Auf Zeche Ewald in Herten kompensiert die Drogeriekette „dm“ Umweltwirkungen. So will „HeimatErbe“ Industriebrachen zu Öko-Hotspots machen.

Ödland wäre übertrieben. Auf dieser Industriebrache in Herten, die einst zur Zeche Ewald gehörte, wachsen ja schon Büsche, am Rande auch Bäume. Und dort, wo sich in die Böden Schutt und Altkram von Schacht 5 der Zeche und einer Betonfabrik mischen, trauen sich bereits Margerite, Distel und Steinklee vor. Aber „die Natur würde sehr lange brauchen“, um dieses Land wieder üppig zu machen, erklärt Dirk Gratzel. Seine Idee ist: Die ökologische Aufwertung zu beschleunigen – und diese Arbeit gegenzurechnen mit negativen Umweltwirkungen, die anderswo anfallen. Zum Beispiel bei der Produktion von Windeln oder Zahnpasta.

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Und so wird ein Geschäftsmodell daraus. Die Drogeriekette „dm“ war der erste große Kunde von Dirk Gratzels Firma „HeimatErbe“ mit Sitz in Bottrop. Sie gehört wie das „Innovation City Managment“ zu seiner „Greenzero“-Unternehmensgruppe. Gratzel selbst ist bekannt geworden durch seinen Selbstversuch, die eigene Ökobilanz auszugleichen. Nach diesem Vorbild kompensiert „HeimatErbe“ auf drei Flächen in NRW die Umweltwirkungen der „Pro Climate“-Produktreihe von „dm", die nicht vermieden werden konnten. Zumindest rechnerisch. Berücksichtigt werden bei den Umweltbilanzen neben dem CO2-Ausstoß zum Beispiel Wassernutzung und Landverbrauch, Versauerung und Überdüngung, Ozonbelastungen am Boden und Ozonabbau in der Stratosphäre – vom Umweltbundesamt definierte Kategorien.

Wie Kompensation auf Zeche Ewald funktioniert

In Sachen Energiewende von Bottrop lernen- Dirk Gratzel

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    Das Ziel ist es also nicht, möglichst viel CO2 in Biomasse zu binden, auch wenn das ein erwünschter Effekt ist. Es hat auch einen Wert, wenn die gefährdete Blauflügelige Ödlandschrecke ein neues Habitat findet. „Allerdings bekommt der Schmetterling kein Preisschild“, erklärt die Ökologin Madlen Sprenger von HeimatErbe. „Der Wert der ökologischen Aufwertung hängt davon ab, wie viel Planung, Pflege und Maßnahmen man in die Fläche investiert.“ Wenn zum Beispiel ein Parkplatz rückgebaut wird oder eine Wildblumenmischung ausgestreut wird, gelten diese Investitionen als ökologische Kompensation. Auf den 8,2 Hektar in Herten fallen seit Ende 2020 Investitionen zwischen zwei und drei Euro pro Quadratmeter und Jahr an, also rund 200.000 Euro.

    „Wir befreien diese Flächen von Altlasten und Müll, wir bauen Gebäude, Straßen, Parkplätze zurück und stimmen unsere Konzepte für die Renaturierung natürlich ab mit den Behörden, oft auch mit Naturschutzverbänden“, erklärt Gründer Dirk Gratzel. „Mitte Juli hat das europäische Parlament entschieden, das 20 Prozent der Fläche in Europa nach diesem Konzept renaturiert werden sollen, das Gesetz muss aber noch zwischen den EU-Staaten ausgehandelt werden. Wir haben also vorweggenommen, was jetzt gemeinschaftlicher Auftrag wird.

    Die Artenschmiede

    Die Ökologin Madlen Sprenger von „HeimatErbe“ vor der „Artenschmiede“ auf Zeche Ewald in Herten.
    Die Ökologin Madlen Sprenger von „HeimatErbe“ vor der „Artenschmiede“ auf Zeche Ewald in Herten. © WAZ | Thomas Mader

    Der freie Ansatz ermöglicht einen kreativen Umgang: Eine alte Schmiede der Zeche sollte eigentlich abgerissen werden. Doch darin nisteten schon Schleiereulen, Fledermäuse und Amphibien. Das können sie nun weiterhin tun. Die zerdepperten Fenster bekamen Holzlamellen und Fluglöcher, der Boden ein Sandbett und Steinhaufen, die Wände Nistkästen und spezielle Tonziegel für Wildbienen: Fertig war die „Artenschmiede“.

    Je mehr investiert wird, je höher der Ökoausgleich. „Aber damit der Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum ökologischen Ertrag steht, gibt es ein externes Monitoring“, sagt Sprenger. „Überprüft werden soll die Arbeit am Standort zusätzlich von einem unabhängigen Partner, dazu laufen Gespräche mit dem TÜV Rheinland.“

    Die drei Flächen in Herten, in Lünen auf der Zeche Kurl und in Ahlen auf der Halde Westfalen sind öffentlich zugänglich. „Wir machen regelmäßig Exkursionen, und da, wo wir größere Areale haben, versuchen wir, Freizeitnutzung und Ökologie in gute Kompromisse zu bringen“, erklärt Dirk Gratzel. „In Lünen haben wir extra Wege angelegt. In Ahlen auf der Halde Westfalen haben wir viele Gespräche mit Mountainbikern geführt. Ihre Lieblingsrouten können sie weiter nutzen, andere Routen werden im Einvernehmen stillgelegt.“