Düsseldorf. Klima-Kleber haben am Donnerstag den Betrieb auf dem Düsseldorfer Flughafen lahm gelegt. Lassen sich solch sensible Orte nicht besser schützen?
Flughafen Düsseldorf, kurz nach Sonnenaufgang am Donnerstag. Rush Hour. Allein zwischen 6 und 7 Uhr sollen 32 Maschinen starten. Am Ende hat in dieser Stunde nur eine einzige abgehoben. Der Rest bleibt zunächst am Boden. Kurz vor halb sieben erfahren die Reisenden auch warum. Mitglieder der „Letzten Generation“ haben sich auf dem Flughafengelände festgeklebt.
Um 5.57 Uhr sind neun Männer und Frauen auf den Stabgitterzaun zugelaufen, der den Flughafen sichert, sieben von ihnen sind an ihm – vermutlich per Räuberleiter – hochgeklettert, haben den Stacheldraht an der Spitze zunächst heruntergedrückt und dann durchgeschnitten. „Gemeinschädliche Kreativität“, wird André Hartwich, Sprecher der Düsseldorfer Polizei das später mal nennen.
Spezialmischung genutzt
Die Eindringlinge werden schnell bemerkt. Der durchgeschnittene Stacheldraht in der Nähe des Flughafen-Bahnhofs habe sofort Alarm ausgelöst, bestätigt die Sprecherin der Bundespolizeiinspektion Flughafen Düsseldorf. „In weniger als fünf Minuten waren wir vor Ort.“
Weit sind die Aktivisten da noch nicht gekommen. Wohlwissend, dass die Polizei schnell kommen wird, haben sie sich auf einem Rollfeld nahe der südlichen Start- und Landebahn so schnell wie möglich auf dem Boden festgeklebt. Bei einigen hat der Kleber noch nicht richtig angezogen, als die Beamten eintreffen. Ohne größere Probleme lassen sich ihre Hände vom Asphalt lösen. Bei anderen Eindringlingen aber wird es schwierig. Sie hätten, heißt es, eine Spezialmischung genutzt.
„Verständnis geht gegen Null“
Wirklich nahe kommen die Klima-Aktivisten den startenden und landenden Maschinen zwar nicht, vorsichtshalber aber wird der Flugverkehr bis 7.15 Uhr komplett eingestellt. Frank Weber (Name geändert) erfährt davon, als ihn der Bus über das Rollfeld zu seinem Flieger Richtung Korfu bringt. „Erst haben wir im Bus warten müssen, dann im Flugzeug“, erzählt er dieser Redaktion am Telefon. Mit zwei Stunden Verspätung startet der Flieger schließlich. Das Verständnis „für diese Idioten“ sei unter den Passagieren „bei null gewesen“. „Die Stimmung war echt gereizt.“ Viele hätten sich aber noch andere Fragen gestellt. „Wie kann es sein, dass ich an der Sicherheitskontrolle auf den Kopf gestellt werde und am anderen Ende des Flughafens spazieren Menschen einfach so auf das Gelände? Ist dieser Flughafen überhaupt sicher?“
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Heiko Teggatz, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat da Zweifel und will die Flughafenbetreiber noch mehr in die Pflicht nehmen. „In Zeiten wie diesen reicht es nicht aus, Flughäfen mit Zäunen und Stacheldraht zu sichern, auf die man einfach eine Matte legen und dann drüber klettern kann.“ Unerlässlich seien Kameras und Sensoren, ein Doppelzaun könne ebenfalls helfen. „Mehr geht immer“, sagt auch Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei/ Zoll. Aber, sagt er auch, der Flughafen Düsseldorf sei da eigentlich sehr gut aufgestellt. „Da kommt schon modernste Technik zum Einsatz.“
Zäune oft bis zu 30 Kilometer lang
Die Pflicht zum Errichten des Zauns liegt nach Angaben des Flughafenverbands ADV beim Flughafen. Die Bewachung erfolge in enger Zusammenarbeit mit der Polizei. Bei großen Flughäfen sei der Zaun aber bis zu 30 Kilometer lang. „Ein 100-prozentiger Schutz gegen das Durchdringen ist damit unmöglich“, sagt ein Sprecher.
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„Unsere Prozesse und Alarmsysteme haben gut funktioniert“, findet auch der Düsseldorfer Flughafenchef Lars Redeligx. Und die Bundespolizei am Flughafen bestätigt: „Die Luftsicherheit war zu keiner Sekunde gefährdet.“ Dennoch versichert Redeligx, der Vorfall vom Donnerstag werde gemeinsam mit den Behörden analysiert, daraus gewonnene Erkenntnisse würden in das Sicherheitskonzept integriert.
24 Flüge wurden gestrichen
Gegen Mittag zieht der Flughafen eine erste Bilanz. Zwei Flüge mussten umgeleitet, 24 Verbindungen gestrichen werden. Nach Ende des Polizeieinsatzes gegen 9.40 Uhr, habe sich der Betrieb nach und nach wieder normalisiert. Wer von den rund 65.000 Passagieren, die am Donnerstag den Düsseldorfer Flughafen nutzten, wegen der Protestaktionen Verspätungen in Kauf nehmen mussten, werden wohl keine zusätzlichen Entschädigungszahlungen erhalten. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei den Protesten um einen außergewöhnlichen Umstand, weil die Fluggesellschaften daraus entstehende Flugausfälle nicht selbst verschuldet haben, sagen Reiseexperten.
Die Leute, die sie verschuldet haben, sind bis Donnerstagmittag in Polizeigewahrsam, werden dann wieder freigelassen. Einige von ihnen seien polizeibekannte Klimaaktivisten, sagt ein Polizeisprecher. „Die Personalien stehen fest und gegen diese Personen wird jetzt wegen gefährlichem Eingriff in den Flugverkehr, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Nötigung und Hausfriedensbruch ermittelt.“ Für die „Letzte Generation“ nicht nachvollziehbar. „Wo, wenn nicht auf einem Flughafen, ist der richtige Ort gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu protestieren“, schreibt sie am Donnerstagmittag auf Twitter.