Ruhrgebiet. Nur noch ein Viertel der Spenden kommen in Gelsenkirchen zusammen. Überall ist die Hilfsbereitschaft nach starken Anfangsmonaten zurückgegangen.

Die Spendenbereitschaft für Nothilfe in der Ukraine ist stark zurückgegangen. Dies bestätigen zahlreiche Hilfsorganisationen. Sie betonen: Die Hilfsbereitschaft folgt einem lange bekannten Muster – und im Vergleich zu anderen Krisen ist das Niveau weiterhin hoch.

Allein in den ersten drei Monaten des Krieges, von Februar bis April 2022, gingen bei der „Aktion Deutschland Hilft“ 216 Millionen Euro an Spenden ein. Nun kommen monatlich ein bis zwei Millionen Euro hinzu, erklärt Sprecher Mark Offermann. „Das Abflachen der Spendenkurve nach den ersten spendenreichsten Monaten ist ein normales Phänomen, das sich auch bei anderen Katastrophen regelmäßig zeigt.“ Die Berichterstattung in den Medien flaut ab, die Zahl der Spendenaufrufen sinkt ebenso wie die aktive Spendenwerbung. Aber immer wieder gebe es Ausschläge, etwa in der Vorweihnachtszeit, wenn viele Menschen für die humanitäre Katastrophenhilfe spenden. Oder nach medial präsenten Ereignissen, zuletzt nach der Sprengung des Kachowka-Damms Anfang Juni.

Die Sprengung des Staudamms

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Das bestätigt Lisa-Sophie Meyer von BetterPlace.org: „Die Zivilgesellschaft kann mit konkreten Anlässen und Entwicklungen auch nach einem längeren Zeitraum durchaus wieder zum Spenden reaktiviert werden.“ In NRW wurden über die Plattform seit Beginn des Krieges mindestens 2,5 Millionen Euro für Projekte zur Ukraine-Nothilfe gespendet; 60 Prozent davon innerhalb des ersten Monats. Schon im Juni vergangenen Jahres flachte das Niveau ab, nach den Hochs rund um Weihnachten und die Staudamm-Sprengung liegt es jetzt eben dort. Die Kurve bei den Nothilfeprojekten lasse sich ähnlich beschreiben: Rund 400 sammeln auf betterplace.org Spenden, die Hälfte davon entstand gleich nach Kriegsbeginn.

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Eine „gesellschaftliche Ermüdung“ wollen die Helfer aber daraus nicht ablesen, wie auch Johannes Tödte für die „Welcome Alliance“ erläutert, ein Zusammenschluss von 450 Stiftungen, Organisationen und Unternehmen: „Die Notlage von Geflüchteten und die Probleme von Neuzugewanderten haben zwar weniger mediale Sichtbarkeit als vor einem Jahr, aber dennoch erleben wir immer wieder, dass das Interesse und die Hilfsbereitschaft in der Zivilgesellschaft, aber auch bei Unternehmen wirklich groß ist.“

Drei Leute mit Spenden

Auf ungefähr ein Viertel des Anfangsniveaus seien auch die Spenden in Gelsenkirchen zurückgegangen, schätzt Mandy Hansen von der Task Force Flüchtlingshilfe. Auch Kleidung und Möbel sind schwerer zu bekommen, die Keller scheinen mittlerweile leer geräumt zu sein. „Wir sitzen nun manchmal sechs Stunden in unserer Sammelstelle, einer Tennishalle, und es kommen drei Leute mit Sachspenden.“

Auch Annette May, die in der Ukrainehilfe des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums Oberhausen wirkt, sagt: „Am Anfang war es schwierig, Helfer zu finden, nun ist es eher schwierig, Sachspenden und Geld aufzutreiben. Ich muss öfter über meinen Schatten springen und betteln, um die Wohnungen mit dem Nötigsten auszustatten. Gelegentlich bieten uns Hinterbliebene an einen Haushalt aufzulösen. Darüber sind wir einerseits dankbar, andererseits empfinde ich es als emotional schwierig, weil dort noch getrauert wird, da steckt also auch eine Menge Sozialarbeit unsererseits dahinter.“

„Es scheint, der Krieg wird als Normalität wahrgenommen“, sagt Jan Jessen, Reporter der Funkemedien-Gruppe und Vorstandsmitglied der Caritas Flüchtlingshilfe Essen. „Normalität heißt auch: keine Wahrnehmung hilfsbedürftiger Not. Aber es sind noch immer viele große und kleine NGOs in der Ukraine unterwegs und leisten Unterstützung, die dringend notwendig ist.“