Duisburg. In Duisburg tüfteln Experten der Polizei am „Streifenwagen der Zukunft“, vor dem es kaum ein Entkommen gibt.

Eine große Bühne, verhüllt von schwarzem Stoff haben sie zur Feier des Tages aufgebaut an der Duisburger Calaisstraße. Und davor steht eine Kiste mit einem Buzzer darauf. 12 Uhr mittags ist es, als NRW-Innenminister Herbert Reul vor der Bühne erscheint und fragt: „Muss ich was sagen? Muss er nicht. „Nur drücken“, sagt jemand.

Reul drückt, aus versteckten Boxen grummelt es, dann erklingen Martinshörner. Und als der Vorhang fällt, steht das auf der Bühne ein Streifenwagen. Aber nicht irgendeiner. Sondern der Streifenwagen der Zukunft – entwickelt vom „Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste“ (LZPD), Abteilung 3. in Duisburg. Offiziell Innovation Lab genannt, in Anlehnung an die James Bond-Filme scherzhaft auch schon mal als „Abteilung Q“ bezeichnet.

100 Ideen werden auf Tauglichkeit überprüft

Für Handys der Polizei gibt es spezielle Apps
Für Handys der Polizei gibt es spezielle Apps © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Seit zwei Jahren wird dort getüftelt, rund 100 Ideen werden derzeit auf Tauglichkeit getestet, wie Polizeirat Dominic Reese erzählt, stellvertretender Projektleiter beim Landesamt für zentrale Polizeiliche Dienste Nordrhein-Westfalen. Einige dieser Ideen wurden in den vollelektrischen, weiß-blau-silbernen Audi Q4 eingebaut, den der Innenminister enthüllt hat. Andere erklärt Reese bei einem Rundgang durch die Laborräume im dritten Stock.

Danach könnte der Tag eines Polizisten oder einer Polizistin in Zukunft ungefähr so aussehen:

Auf der Wache angekommen öffnen sich automatisch Spind und Waffenfach. Vom Wachdienstführer erfährt das Duo, in welchem Streifenwagen es heute sitzt und melden sich mit seinen Polizeihandys beim Fahrzeug an. Im Wagen verbaute Spezialchips warnen daraufhin, wenn etwas von der umfangreichen Ausrüstung fehlt oder ersetzt werden muss. Ist der Feuerlöscher leer? Liegt die Kamera an ihrem Platz? „Die Übergabe eines Streifenwagens an die nächste Schicht ist bisher eine zeitraubende Aufgabe“, sagt Reese, „das wird sich ändern.“

Schlechte Zeiten für Drängler und Raser

Hartes Training- Wie die Polizei das Drohnenfliegen lerntHat die Besatzung nachgerüstet, kann die Fahrt losgehen. Sie beginnt mit Routine. Dank der elf im Blaulichtbalken eingebauten Kameras kann die Polizei während der Fahrt auf bis zu sieben Fahrspuren parallel Geschwindigkeit und Einhaltung der Sicherheitsabstände prüfen – egal ob beim entgegenkommenden, vorausfahrenden oder nachfolgenden Verkehr. Schlechte Zeiten für Drängler und Raser. Aber auch für Menschen, die mit dem Handy am Ohr herumfahren. Den High-Tech-Kameras entgeht nichts. Ausgewertet werden Messdaten und Fotos noch im Auto, und irgendwann soll ein Knopfdruck ausreichen, und das Knöllchen geht auf die Reise.

Technisch ist das alles schon möglich. „In der Schweiz gibt es das bereits“, sagt Reese. „Ob wir es tatsächlich mal einsetzen werden, ist eine ganz andere Frage.“ Deren Beantwortung hängt von vielen Faktoren ab. Ist es rechtlich erlaubt in Deutschland? Ist es beweissicher? Und bringt es etwas für die Arbeit der Polizei?

Die Frontscheibe als Display

Dominic Reese, Leiter des Innovation Lab zeigt wie die Frontscheibe eines Streifenwagens in Zukunft aussehen könnte. .
Dominic Reese, Leiter des Innovation Lab zeigt wie die Frontscheibe eines Streifenwagens in Zukunft aussehen könnte. . © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Kurz vor Mittag wird es hektisch. Eine Tankstelle ist überfallen worden. Ein Angestellter hat aufgepasst, hat sich das Kennzeichen des Fluchtfahrzeugs gemerkt. Und er hat gesehen: Der Täter ist bewaffnet. Außerdem gibt es ein Foto, das eine Überwachungskamera vom Flüchtigen gemacht hat. Die Leitstelle schickt alle relevanten Informationen auf die Displays der Streifenwagen. Dort können die Einsatzkräfte auch in Echtzeit sehen, von wo andere Streifen sich der möglichen Fluchtroute nähern. Wo heute noch ein Tablet im Wagen eingehängt ist, soll irgendwann die gesamte Frontscheibe zum Display werden. Mit Echtzeit-Straßenkarte, eventuell sogar mit Tipps für den Fahrer, welche Route bei der Verfolgung die schnellste sein könnte.

Nach kurzer Zeit kommt die Meldung: „Der Täter hat sein Auto abgestellt, ist in ein Haus geflüchtet.“ Minuten später ist die erste Streife vor Ort, die Beamten gehen ins Haus, während das Blaulicht die Straße überwacht. Darin verbaute Künstliche Intelligenz meldet, wenn jemand nach der Polizei das Haus betritt, ja sie kann sogar erkennen, wenn irgendwo in ihrem Blickfeld eine Waffe gezogen wird. „Das sorgt für mehr Sicherheit“, sagt Reul.

Equipment für fast 100.000 Euro

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Wann der erste Streifenwagen der Zukunft über die Straßen rollt, kann derzeit noch niemand sagen. Der rund 60.000 Euro teure Q4 sei ein „Konzeptfahrzeug“, sagt der Innenminister, ein „Versuchsobjekt auf vier Rädern“, im dem technisches Equipment im Wert von knapp 100.000 Euro verbaut wurde. Als Serien-Streifenwagen, da sind sich nahezu alle Verantwortlichen einig, wird er nie auf der Straße zu sehen sein. „Zu klein für unsere Zwecke.“

So probieren sie aus im Innovation Lab und simulieren. Manches wird dann irgendwann in der echten Welt ausprobiert. Funktioniert das? Haben wir etwas übersehen? Fragen gibt es jedenfalls noch viele. Und wenn eine beantwortet ist, taucht manchmal sofort eine neue auf. Kann man in die Streifenwagen Geräte einbauen, die rote Ampeln bei Annäherung automatisch auf grün springen lassen? „Technisch geht das“, sagt ein Ingenieur des Labors, nach Tests auf einer speziell präparierten Straße. „Aber was passiert, wenn zwei Streifenwagen aus verschiedenen Richtungen auf eine Kreuzung zufahren?“