Brühl. Sebastian Schönert erlitt eine Sinusvenenthrombose durch eine Covid-Impfung. Nur selten dokumentieren Ärzte Impfkomplikationen so eindeutig.

„Es fühlt sich an wie David gegen Goliath“, sagt Sebastian Schönert. Der 38-Jährige aus Brühl klagt gegen einen Pharmakonzern, gegen den Impfstoffhersteller AstraZeneca. Denn Schönert hat nach der Corona-Schutz-Impfung eine Sinusvenenthrombose erlitten: Ein Pfropfen hatte ein wichtige Ader in seinem Hinterkopf verschlossen, das Blut staute sich in seinem Schädel, es hätte tödlich ausgehen können.

Sein Fall scheint ihm so eindeutig, dass Schönert mit seiner Klage ins finanzielle Risiko geht. Er hat keine Rechtsschutzversicherung – sollte er verlieren, drohen ihm allein Anwaltskosten im fünfstelligen Bereich. Auch den Streitwert hat er darum mit 30.000 Euro möglichst niedrig angesetzt. Aus wirtschaftlicher Sicht mache seine Klage keinen Sinn, sagt der Vertriebsmanager einer Softwarefirma. Aber er fühlt sich in der Pflicht. „Wenn mein Fall nicht gewinnt“, sagt Schönert, „dann wissen sehr viele Menschen, die einen Impfschaden haben oder dies glauben, dass sie keine Chance haben.“ Und umgekehrt.

Die Impfung „kann ihnen keiner mehr nehmen“

Sebastian Schönert
Sebastian Schönert © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Der Anruf vom Hausarzt seiner Eltern kam an einem Dienstagnachmittag um 18 Uhr. Es war die Zeit, in der Impfungen knapp waren, Ende Mai 2021, und Sebstian Schönert wollte endlich ausbrechen aus der Pandemie. Seine Eltern sind über 70 mit Vorerkrankungen und pflegen die 95-jährige Tante. Das Weihnachtsfest hatte die Familie mit Maske in entgegengesetzten Ecken des Wohnzimmers verbracht. Schönert schwang sich also in seinen Mercedes aus dem letzten Jahrtausend und düste von Brühl ins Münsterland, wo er um 19.51 Uhr eine übrig gebliebene Impfdosis bekam. „Das“, sagte der Hausarzt, „kann ihnen keiner mehr nehmen.“

Schönert hatte einige Impfreaktionen, die aber bald abklangen: leichte Kopfschmerzen, Schwindel, Schweißausbrüche. Doch „fast auf die Stunde genau sieben Tage nach der Impfung, traten andersartige Kopfschmerzen auf. Sie strahlten vom Nacken bis zum Auge. Am nächsten Tag kamen Lichtblitze hinzu.“ Er schob es auf eine Nackenverspannung nach einem Osteopathenbesuch. „Davon war ich überzeugt bis fünf Minuten vor der Intensivstation.“ Schönert arrangierte sich mit viel Ibuprofen. Und eigentlich wollte er nur die Schmerzmittel aufstocken, um zwei Tage später nach Rhodos zu fliegen, als er an Fronleichnam in die Notaufnahme des Marienhospitals marschierte. „Es war leer wie ein verlassenes Filmset. Eine Frau saß am Ende des Korridors und schien auf mich zu warten.“

Nur in einem Nebensatz erwähnte er die Impfung – da hakte die Frau ein und überredete ihn zu einem Bluttest. „Als sie mit dem Papier wiederkam, zitterten ihre Hände. Herr Schönert, der Rettungswagen ist unterwegs, sagte sie.“ Schönert lehnte es ab, sich im Wagen hinzulegen, er wunderte sich sehr über das Blaulicht und die überfahrenen roten Ampeln, er sagte noch zur Schwester: „Bis morgen brauche ich doch keine neuen Klamotten.“ Später sagten ihm die Ärzte, dass er es vielleicht noch in den Flieger geschafft hätte, „aber zurückgekommen wäre ich in einer Kiste.“

Nach der Impfung auf die Intensivstation

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16 Tage lang lag Schönert in der Uniklinik Köln, die meiste Zeit auf der Intensivstation. Die Ärzte ließen in ihrem Bericht keinen Zweifel, dass alles für eine Reaktion auf die Impfung spreche und nichts auf andere Ursachen hindeute. Was Laborbefunde der Uniklinik Greifswald bestätigten. Es ist auch unbestritten, dass solche Thrombosen seltene Nebenwirkungen von Vektorimpfstoffen sein können, der Mechanismus ist mittlerweile wissenschaftlich belegt. Nach Todesfällen stoppte die Bundesregierung die Impfungen mit dem AstraZeneca-Produkt Ende 2021. Dennoch ist ein Erfolg der Klage nicht gewiss.

Denn es geht nicht nur um die Kausalität, also darum, ob der Impfstoff mit hoher Wahrscheinlichkeit die „Komplikation“ ausgelöst hat. Ein Impfschaden wäre es nur, wenn die Beschwerden mindestens sechs Monate andauern, und Sebastian Schönert ging schon nach rund einem Monat wieder arbeiten, obwohl er sich noch wochenlang schlapp fühlte. Auch ob der Hersteller über das Risiko von Nebenwirkungen ausreichend aufgeklärt hat, ist entscheidend, und das Verhältnis dieses Risikos zum Nutzen der Impfung spielt eine Rolle bei der Beurteilung, welche Nebenwirkungen hinzunehmen sind. Die Wiesbadener Kanzlei Cäsar-Preller hat Schönerts Klage am 11. März beim Landgericht Köln eingereicht, wann der Prozess startet, ist noch nicht klar.

Das sagt AstraZeneca

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AstraZeneca äußert sich auf Anfrage nicht zu dem laufenden Verfahren. „Unser Mitgefühl gilt denjenigen, die gesundheitliche Beschwerden gemeldet haben“, erklärt ein Sprecher. „Arzneimittelbehörden auf der ganzen Welt haben bestätigt, dass die Vorteile einer Impfung die Risiken der extrem seltenen potenziellen Nebenwirkungen überwiegen.“ Unabhängigen Schätzungen zufolge habe der Impfstoff allein im ersten Jahr der Verfügbarkeit (2021) weltweit über sechs Millionen Leben gerettet. Im Oktober 2022 habe Vaxzevria eine Standardzulassung für die EU bekommen, was die Sicherheit und Wirksamkeit erneut bestätigt habe.

Laut Paul Ehrlich-Institut gab es bis Ende Juni 2022 insgesamt 120 Fälle, bei denen zwischen einem Todesfall und der Corona-Impfung ein „wahrscheinlicher oder möglicher ursächlicher Zusammenhang“ anerkannt wurde. Laut PEI ist die Zahl der Todesfälle 30 Tage nach einer Corona-Impfung aber nicht häufiger als im statistischen Durchschnitt zu erwarten wäre. Dem Institut wurden bis Mitte vergangenen Jahres 323.684 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen gemeldet – wobei aus der Statistik nicht hervorgeht, ob sich ein Verdacht erhärtet hat. Das entspricht 1,8 Meldungen pro 1000 Impfdosen, die schweren Fälle machen einen Anteil von 0,3 Meldungen pro 1000 Impfdosen aus.

Zum Impfgegner ist Sebastian Schönert trotz seiner Erfahrung keineswegs geworden. Tatsächlich hat er sich noch zwei weitere Male impfen lassen, mit Biontech und mit Moderna – seine Blutproben stellte er für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung. „Ich wurde so engmaschig überwacht, dass ich keine Sekunde in Sorge war. Auch als ich wieder zwei Tage Kopfschmerzen bekam. Sie fühlten sich normal an.“