Essen. Die 20-Jährige, die ihr Baby fast totgeschüttelt hat, ist zu fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden.

Es ist ihr Geburtstag. 20 Jahre alt wird die Angeklagte am Freitag, aber es ist kein Grund zu sehen, diesen Tag ausgelassen zu feiern. Denn dies ist der Tag, an dem die V. Essener Jugendstrafkammer sie zu fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt. Denn sie hat am 24. September 2022 ihr drei Monate altes Baby fast tot geschüttelt.

Sieben Monate nach dieser Tat ist noch nicht klar, ob und wie der Junge weiterleben wird. Im günstigsten Fall wird er schwerbehindert sein, sagt Richter Volker Uhlenbrock. Möglich ist aber auch, dass das Kind bei einem Krampfanfall sterben wird. Noch steht nicht fest, ob es an einem oder beiden Augen erblinden wird.

Baby massiv geschüttelt

Das alles hat nach Einschätzung des Gerichtes die 20-Jährige zu verantworten. Sie habe ihren Sohn „mehrfach hochgeworfen und massiv geschüttelt“, stellt die Kammer fest. Dann habe sie ihn auf eine harte Fläche geworfen. Richter Uhlenbrock: „Sie haben ihn weggeworfen. Das muss man so deutlich sagen.“

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Und warum dieser Gewaltausbruch? Auch darauf weiß das Gericht eine Antwort. Uhlenbrock: „Sie wollten ihre Ruhe haben.“ Im Urteil erinnert er daran, dass das Kind zu früh zur Welt kam und mit einem Geburtsgewicht von unter 2000 Gramm zunächst einen Monat lang in der Klinik bleiben musste. Der Richter spricht von einem kleinen Bündel, das besonders schutzbedürftig sei.

Schwangerschaft abgelehnt

Die Angeklagte, die bereits 2020 ein Kind bekommen hatte, lehnte diese zweite Schwangerschaft ab. Nach einer kurzen Affäre hatte sie keinen Kontakt mehr zum Vater des Jungen. Erst einen Monat vor der Geburt ging sie zum Frauenarzt und redete sich vorher ein, in ihr wachse ein gutartiger Tumor heran.

Diese Ablehnung des Kindes setzte sich fort, als es zu ihr in die vom Sozialamt finanzierte Wohnung kam. Die Kammer geht davon aus, dass die Angeklagte mit ihrer Tat, die das Kind in die Gefahr des Todes brachte, das Schreien des Säuglings unterbinden wollte.

Großmutter rief den Notarzt

Hilfsangebote des Jugendamtes und ihrer Familie lehnte die Angeklagte ab. Dass der Junge noch lebt, hat er laut Urteil der Großmutter und der Tante zu verdanken, die den Notarzt alarmiert hatten.

Hatte es in der Anklage auch wegen dieser Hilfe noch so gewirkt, als sei die Angeklagte geordnet in einer kinderreichen Familie aufgewachsen, stellte die Beweisaufnahme eine andere Sicht in den Vordergrund. Tatsächlich, so fasst es der Richter zusammen, entzog die Familie sich den zahlreichen Hilfsangeboten der Jugendämter.

Lesen und Schreiben nie gelernt

In Hamburg geboren musste die Angeklagte mehrere Umzüge ihrer Familie mitmachen. Auch dadurch ging sie fast nie zur Schule. Noch heute soll sie nicht lesen und schreiben können. Einen Beruf hat sie nie gelernt, schon mit 13 fing sie das Cannabisrauchen an, oft feierte sie Partys. Das Gericht sparte nicht mit Kritik an der Familie.

Den Vorwurf des versuchten Totschlages, den die Anklage ursprünglich erhoben hatte, ersparte das Gericht der Angeklagten aus rechtlichen Gründen. Es verurteilte sie wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die Jugendstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren soll nicht nur die schwere Schuld der Angeklagten sühnen, sondern ihr vor allem ermöglichen, einen Schulabschluss zu erlangen.