Essen. . „Dachte, es gefiel ihnen“: Jahrelang hat ein 45-jähriger Essener seine Töchter sexuell missbraucht. Geständnis bewahrt ihn vor höherer Strafe.

Es passierte im Kinderzimmer, im Schlafzimmer, im Bad. Wie oft? Das kann heute offenbar niemand mehr so genau sagen. Die Staatsanwaltschaft hat 23 Fälle angeklagt, in denen ein heute 45-jähriger Vater seine beiden Töchter missbrauchte – zwischen 2008 und 2018. Vier Jahre und drei Monate Haft hat die V. Strafkammer des Essener Landgerichts am Dienstag verhängt. Vor allem wegen des „langen, intensiven Tatzeitraums“, wie es Richter Volker Uhlenbrock formulierte.

Eines der Mädchen hatte schon bei der Polizei von fast täglichen Übergriffen gesprochen. Und auch der Angeklagte sagte im Prozess mit leiser Stimme: „Ja, das war schon regelmäßig.“ Das erste Mädchen war elf, als die Übergriffe begannen. „Es fing beim Eincremen in der Dusche an“, sagte der Angeklagte. „Dann ging es immer weiter.“ Vor allem, wenn seine Frau, die offenbar sehr schwerhörig ist, schon geschlafen hat oder nicht zu Hause war.

Er habe immer sofort aufgehört, wenn seine Töchter „Nein“ sagten

Bei der Polizei hatte der 45-Jährige dazu später gesagt: „Ich war der Meinung, es gefällt den Mädchen.“ Es sei ja schließlich immer wieder passiert. Erst mit der einen, dann mit der anderen. Und er habe ja auch immer sofort aufgehört, wenn seine Töchter „nein“ gesagt hätten.

Erst als die ältere der beiden im Sommer 2018 eine Art Hilferuf im Handy ihrer jüngeren Schwester entdeckte und ihr klar wurde, dass sie nicht die einzige war, die vom Vater missbraucht worden ist, wurde Anzeige erstattet. Die beiden gingen zur Mutter, dann sofort zur Polizei.

Abgelehntes Therapie-Angebot irritierte den Richter

Der Angeklagte hatte auch gar keinen Versuch unternommen, die sexuellen Übergriffe zu leugnen. Und auch im Prozess vor dem Essener Landgericht hat der 45-Jährige auf Anraten seines Verteidigers Timo Scharrmann sofort ein umfassendes Geständnis abgelegt und seinen Töchtern damit eine Aussage vor Gericht erspart.

Das wurde ihm auch hoch angerechnet. Was die Richter allerdings irritierte: Dass der 45-Jährige bis heute noch keinerlei Therapie-Angebot angenommen hat. „Das war krasses Unrecht – das haben Sie bis jetzt immer noch nicht erkannt“, so Richter Uhlenbrock.

Angeklagter stammt aus einer Essener Schaustellerfamilie

Der Angeklagte stammt aus einer Essener Schaustellerfamilie, die in der fünften Generation einen Schießstand und einen Imbiss betreibt. In diesem Umfeld hat er auch seine Kindheit verbracht. „Wir hatten zwar eine Wohnung in Essen, aber ich war nach der Schule immer irgendwo auf der Kirmes.“

Um auch seine eigene Familie zu ernähren, hatte er nach der Schule (12. Klasse Gymnasium) jedoch umgesattelt. Das Gewerbe warf nicht genug Gewinn ab. Also versuchte er sich erst als Kfz-Mechaniker, wurde später Koch und arbeitete zuletzt als Paketzusteller. Doch auch das ist inzwischen vorbei, weil der Arbeitgeber von den Missbrauchsvorwürfen erfahren hat. Die Ehe besteht zwar noch, aber nur noch auf dem Papier. Die Frau hat die Scheidung eingereicht.

Mit dem Urteil blieben die Essener Richter unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die fünfeinhalb Jahre Haft beantragt hatte.