Essen. Eine 17-Jährige aus Essen stirbt im Drogenrausch. Verantworten für ihren Tod muss sich vor Gericht ihr Freund und Dealer.

Hinten im Saal sitzt eine Schulklasse. Vor dem Essener Schwurgericht bekommt sie am Mittwoch Anschauungsunterricht, was Drogen aus jungen Menschen machen können. Verhandelt wird der Tod der nur 17 Jahre alt gewordenen Laura. Sie starb im Drogenrausch. Verantworten dafür muss sich ihr Freund: Arnold P., 23 Jahre alt und aus Heisingen. Das ist einer der „besseren“ Ortsteile im Süden der Stadt Essen. Auch er ein Drogensüchtiger.

Staatsanwältin Sarah Erl wirft ihm Totschlag und die Abgabe von Rauschgift an Minderjährige mit Todesfolge vor. In Untersuchungshaft saß er nur kurz. Die Freiheit nutzt er seit mehr als einem halben Jahr und lebt in einer Entziehungsanstalt im Norden Deutschlands. Ein Vorzeigepatient, so schildert der Leiter der Einrichtung den bisherigen Therapieverlauf.

Gemeinsam Drogen konsumiert

Es ist eine kurze Zeitspanne, in der sich der Angeklagte und das spätere Opfer kannten. Getroffen hatten sie sich am 20. Dezember 2021 vor dem Rathaus in der Essener City. Sie war ihm als attraktiv aufgefallen – und er merkte schnell, dass sie wie er Drogen konsumierte. Über WhatsApp hielten sie Kontakt. Arnold P., der seine Sucht durch Drogenverkäufe finanzierte, versuchte sie vom gemeinsamen Verkauf von Cannabis zu überzeugen. Monatlich 1000 Euro Gewinn soll er ihr in Aussicht gestellt haben.

Für den 28. Dezember vereinbarten sie ein Treffen in ihrer Wohnung. Sie liegt in einer eher problematischen Zone des Stadtteils Borbeck im Norden. Zugewiesen bekommen hatte sie diese durch eine Jugendhilfeeinrichtung, von der sie betreut wurde. Denn nach dem Tod ihrer Mutter war sie abgerutscht ins Drogenmilieu.

"Schöne Auswahl an Drogen"

Die 17-Jährige war empfänglich für die Versprechen, die ihr neuer Freund Arnold ihr für die Gestaltung des Abends per WhatsApp machte. Staatsanwältin Erl zitiert in der Anklage: Er werde eine „schöne Auswahl“ an Drogen mitbringen. Alkohol und Drogen würden sie konsumieren, dann gemeinsam „ausrasten“ und sich „weghauen“.

Was daraus wird, zeigen auf dem Handy des Angeklagten gespeicherte Videos, die er als Selfie in der Nacht gedreht hatte. Zuvor rauchen sie Marihuana, dann mixt er Laura einen Cocktail aus Benzodiazepin, Methadon, Rivotril, Medikinet, Retard und Polamidon, heißt es in der Anklage. Die 17-Jährige sei eingeschlafen und bewusstlos geworden.

Laura wird bewusstlos

Arnold P. macht sich Sorgen, zeigt das erste Video um 23.47 Uhr. Darin sagt er, dass sie bewusstlos sei, er sie nicht aufwecken könne und er Angst habe, sie atme nicht mehr.

Im Hintergrund der etwa 20 Videoschnipsel sieht man manchmal den Körper der Jugendlichen. Im Vordergrund ist Arnold P. Wüsste man nicht, dass er der Angeklagte ist, man hätte dieses angeschlagene, verbrauchte Gesicht und die verwaschene Sprache nicht gleichgesetzt mit dem adrett wirkenden jungen Mann auf der Anklagebank.

Er putzt Schuhe

Meist putzt er in den Videos seine Schuhe und die der 17-Jährigen. Dann küsst er ihre Füße oder bereitet die Drogenration für den nächsten Morgen vor. Und immer wieder äußert er seine Sorge um Laura.

Es dauert eineinhalb Stunden seit dem ersten Video, dass er einen Notarzt anfordert. Da hat ihr Herz schon aufgehört zu schlagen. Sie wird von den Rettungskräften wiederbelebt und ins Krankenhaus gebracht. Doch sie wacht nicht mehr auf aus dem Koma. Am 7. Januar stellen die Ärzte ihren Tod fest.

Tod der 17-Jährigen billigend in Kauf genommen

Die Anklage glaubt, dass er den Tod der 17-Jährigen zumindest billigend in Kauf nahm. Denn er habe viel zu lange gewartet, bis er den Rettungsdienst alarmierte.

Am ersten Verhandlungstag will Arnold P. sich noch nicht zu den Vorwürfen äußern. Er sei zu aufgeregt, sagt seine Verteidigerin Kerstin Raber. Zu seinem Leben äußert er sich. Er spricht von einer behüteten Kindheit und Jugend. In der Grundschule sei er ein guter Schüler gewesen und habe diese mit einem Notenschnitt von 1,3 zum Gymnasium verlassen. Auch dort sei alles gut gegangen, bis er in der siebten Klasse Latein gewählt habe. Das habe ihn wohl aus der Bahn geworfen. Er nennt noch einen weiteren Grund, warum er ab dem zwölften Lebensjahr abgerutscht sei: „Ich bekam einen Computer, der hat mich abgelenkt.“

Mit zwölf Jahren Alkohol und Cannabis

Ob das die ganze Wahrheit ist? Tatsächlich beginnt er mit zwölf Jahren Alkohol und Cannabis zu konsumieren, wechselt zur Realschule und schwänzt dort den Unterricht. Später kommen andere Drogen hinzu, auch Kokain und Heroin. Schulisch läuft kaum etwas, einen Beruf erlernt er nicht. Bis zuletzt wohnt er bei den Eltern in Heisingen am Baldeneysee.

Auch als Dealer zählt er wohl nicht zu den durchsetzungsfähigsten der Branche. Das zeigt ein Verfahren, das am Tag zuvor vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts begonnen hat. Da ist Arnold P. das Opfer. Da sollen sich vier Kupferdreher von der anderen Seeseite verabredet haben, ihn auszurauben. Sie sollen bei ihm Drogen bestellt und ihn so in Heisingen ans Seeufer gelockt haben, wo sie ihn mit Messer und einem Holzpaddel traktierten. Geraubt haben sollen sie die bestellten Drogen, 20 Euro, Zigaretten und seine Armbanduhr. Eine Luxusuhr von Breitling – allerdings nur ein Plagiat.

Fünf Tage plant die Kammer, bevor sie über Arnold P. urteilen will. Dabei wird es auch um seine Schuldfähigkeit gehen.

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