Essen,/Gelsenkirchen. Eine langjährige Fehde zwischen Gelsenkirchener Familien brachte zwei Angeklagte in U-Haft. Sie hatten nach ihrem Urteil randaliert.

Verurteilt waren sie wegen gefährlicher Körperverletzung, blieben aber auf freiem Fuß. Das änderte sich schnell, als die beiden Brüder aus Gelsenkirchen nach dem Urteil des Essener Landgerichtes ihre Opfer angriffen. Damit lieferten sie selbst die Haftgründe, so dass die XXIV. Strafkammer sie in U-Haft schickte. „Das war ziemlich blöd“, kommentierte Richter Lukas Hempel die Tat.

Die Attacke vor der Tür des Gerichtssaals ist nur eine von mehreren Eskalationen zwischen zwei verfeindeten Gelsenkirchener Familien. Früher verband zumindest die jüngeren Mitglieder eine Freundschaft. Sie endete, als zwei der jetzt angeklagten Männer aus der Familie B. gemeinsam mit einem Sohn der anderen Familie vor Jahren wegen Raubes angeklagt waren. Denn dieser hatte die Brüder B. belastet, deshalb hatte das Gericht sie verurteilt und ihn freigesprochen.

Blutiger Angriff am Hauptbahnhof

Das ließ Familie B. offenbar nicht auf sich sitzen. Am 1. Dezember 2018 soll sie deshalb mit vier Männern, darunter drei der jetzt Angeklagten, den damals 20 Jahre alten ehemaligen Komplizen am Hauptbahnhof überfallen und mit abgebrochenen Flaschenhälsen lebensgefährlich im Gesicht verletzt haben. Umringt waren sie damals von rund hundert Schaulustigen.

Nur mit Hilfe von Pfefferspray und einem massiven Polizeiaufgebot ließ sich die Schlägerei beenden. Der Einsatz hatte sie nicht einmal davon abgehalten, in Gegenwart der Beamten weiter auf ein zweites Opfer einzutreten.

Messerstiche im Freibad

Dem ersten Opfer dauerten die Ermittlungen zu lange. Aus Angst vor den Angreifern der Familie B. hatte er sich ein Messer zugelegt. Am 26. Juni 2019 traf er zufällig im Freibad des Sportparadieses auf einen der Männer, die ihn angegriffen hatten. Er ging zu ihm, stach zehnmal auf ihn ein mit den Worten: „Stirb, stirb, stirb.“

2020 verurteilte ihn deshalb das Essener Schwurgericht wegen versuchten Totschlags zu viereinhalb Jahren Haft. Richter Martin Hahnemann damals im Urteil: „Das ist Selbstjustiz, und die nehmen wir nicht hin.“

Verhandlung blieb zunächst ruhig

Über vier Jahre dauerte es, bis am 11. Januar auch das Verfahren wegen der Attacke am Hauptbahnhof verhandelt wurde. Verantworten mussten sich Adem B. (28), Yavuz B. (24) und ihr Cousin Kenan B. (26). Die Verhandlung lief eigentlich ruhig ab, die beiden Brüder zeigten sich im Grunde geständig.

Auch das Urteil nahmen alle Beteiligten in Ruhe hin. Drei Jahre und zwei Monate Haft gab es für die Brüder, der Cousin bekam eineinhalb Jahre Haft mit Bewährung. Danach ging es vor dem Saal rund. Zumindest die beiden Brüder sollen auf den Vater der beiden Nebenkläger losgegangen sein. Die Rede ist von einem Faustschlag und einem Tritt in Kung-Fu-Manier mit gestrecktem Bein. Justizwachtmeister sollen die Attacke beendet haben.

Wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr erließ die Kammer einen Haftbefehl gegen die Brüder. Damit haben sie die Chance verwirkt, ihre zuvor verkündete Haftstrafe im offenen Vollzug anzutreten.