Düsseldorf. Jugendliche verbringen immer mehr Zeit am Handy. Am „Safer Internet Day“ sprechen Eltern aus NRW über ihre Probleme. Und erhalten Experten-Tipps.

Und wieder blinkt ihr Handy auf. Jemand hat Lara Büsges ein Foto auf dem Social-Media-Kanal Snapchat geschickt. Die 17-Jährige ignoriert das grelle Licht und beugt sich wieder über ihre Hausaufgaben. Doch schon leuchtet der Bildschirm wieder. Und wieder. „Irgendwann war ich so genervt, dass ich das Handy hinter mich aufs Bett geschmissen habe“, erinnert sich Lara Büsges.

Mittlerweile legt sie ihr Smartphone beim Lernen weg, zu sehr habe sie allein der Anblick gestresst, sagt die Schülerin. In ihrer Freizeit bleibt sie aber öfter mal an kurzen Instagram-Videos hängen. Neulich hat sie eine Freistunde mit ihrer Freundin bei sich zuhause verbracht. „Wir wollten beide nur kurz auf unsere Handys schauen. Aber irgendwann lagen wir nur noch nebeneinander auf dem Bett und haben nicht mehr miteinander gesprochen“, erzählt sie. Schockiert legten beide das Handy dann zur Seite. Doch das machen längst nicht alle in ihrem Alter.

„Kinder und Jugendliche Spüren das Limit oft nicht“

„Das Kernproblem ist, das Kinder und Jugendliche dieses Limit oft nicht spüren“, sagt Leonie Lutz, Familienbloggerin und Beraterin, am Montag bei einem Elternabend zum „Safer Internet Day 2023“ in Düsseldorf. Zu diesem Elternabend hatte die Landesanstalt für Medien NRW gemeinsam mit der EU-Initiative klicksafe eingeladen, um mit Expertinnen und Experten, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern über ihre Mediennutzung zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu finden, wie der Medienkonsum bei vielen Familien nicht ständig zum Streitthema wird.

>>> Lesen Sie auch: So helfen Medienscouts Schülern bei Mobbing im Netz

Leonie Lutz ist selbst Mutter von zwei Kindern und betont: „Das Pandemiegeschehen hatte große Auswirkungen auf die Handynutzung der Kinder und Jugendlichen.“ Eine Tochter wurde während Corona eingeschult, die andere machte in dieser Zeit Abitur. Und während die Schulen geschlossen waren, habe sie natürlich trotzdem weiterarbeiten müssen, sagt Lutz. „In dieser Zeit nutzten die Kinder viel mehr digitale Medien.“

Jugendliche fast vier Stunden täglich im Netz

Die Studie Jugend, Information, Medien (JIM) zeigt: Fast vier Stunden (rund 240 Minuten) verbrachten Jugendliche 2021 durchschnittlich pro Tag im Netz. 2019 waren es noch 205 Minuten.

Wie gehen Eltern damit um, wenn ihre Kinder es einfach nicht schaffen, das Smartphone wegzulegen? Ein Vater merkt an, dass es wichtig ist, selbst ein gutes Vorbild zu sein. „Ich ertappe mich im Urlaub dabei, wie ich noch schnell etliche Mails am Handy beantworte und rege mich dann über meine Kinder auf, wenn sie beim Essen am Handy sind.“ Eine Mutter erzählt, dass sie irgendwann den Stecker vom Wlan-Router zieht, wenn ihr 16-Jähriger Sohn sich nicht an die vorgegebene Handy-Zeit hält. Eine andere fragt, ob es normal sei, das ihr Sohn mittlerweile nicht nur beim Chatten, sondern auch auch beim Sprechen ganze Artikel weglasse.

Aggressionen bei Video-Spielen

Mutter Alice hat bei sich zuhause eine ganz klare Regel aufgestellt: Die Handys, Playstation-Controller und sogar die Fernbedienung wandern nach einer bestimmten Zeit in einen Tresor, auf den nur sie und ihr Mann zugreifen können. Auslöser war die schlechte Schulleistung ihres Sohnes Ben (11). „Er wollte alles schnell erledigen, um dann Video-Spiele zu zocken“, sagt Alice.

Zudem sei Ben zuhause aggressiver geworden. „Wenn er bei einem Spiel verloren hat, war es besonders schlimm“, erinnert sich Alice, die ihrem Sohn daraufhin einen Box-Sack kaufte. Am Anfang habe er den Tresor, in den er den Controller nach einer Stunde legen muss, kaputt machen wollen. Mittlerweile habe sich die Situation zuhause entspannt.

Mehr Medienkompetenz in Schulen

Beraterin Leonie Lutz rät Eltern, die sozialen Medien nicht zu „verteufeln“, sondern sich mit den Inhalten der Apps auseinander zu setzen – und vielleicht mal eine Runde mit zu zocken. Gerade für junge Menschen sei es wichtig, mit Gleichaltrigen auf dem Pausenhof mitreden zu können.

Wichtig sei, den Kindern zu zeigen, wie sie neben dem Rumdaddeln die Apps auch als Werkzeuge nutzen können, um kreativ zu werden. „Kinder können zum Beispiel eigene Podcasts produzieren oder beim Familienausflug in der Natur Vögel über eine App bestimmen“, erklärt Lutz. Um alle Kinder gleichermaßen zu erreichen, sollten besonders in den Schulen flächendeckender Kurse zur Medienkompetenz stattfinden.

>>>Info: So hilft das Land Schülern und Eltern

Um Schüler für den Umgang mit sozialen Medien zu sensibilisieren will das Land sogenannte Medienscouts flächendeckend an weiterführende Schulen in NRW einsetzen. Die Schülerin Lara Büsges ist Medienscout an ihrer Schule in Neuss und hilft ihren Mitschülern bei digitalen Problemen wie Mobbing im Netz. Seit dem Projektstart 2011 sind bereits über 5200 Schülerinnen und Schüler zu Medienscouts ausgebildet worden.

Unter dem Hashtag #DigitalCheckNRW können Interessierte online ihre eigene Medienkompetenz testen und bekommen dann Angebote zu Kursen und Workshops, die helfen, die Medienkompetenz weiter zu verbessern. Unter newscheck@nrw.de lernen Nutzer Medien besser zu verstehen und Nachrichten einzuordnen.