Essen. Der 55-Jährige hatte sich nach einem Joint von jungen Leuten gestört gefühlt und auf sie geschossen.Vor Gericht bedauert er die Tat.
Irgendwann kommt der Tag, da will ein Mann so richtig auf den Tisch hauen und zeigen, dass er sich nicht alles gefallen lässt. So dürfte es am 12. Mai vorigen Jahres dem Essener Karsten W. ergangen sein, als ihn laute Musik vor seinem Fenster nervte. Die Folge ist bitter für ihn. Seit Mittwoch sitzt der 55-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung und bewaffneten Drogenhandels vor dem Essener Landgericht.
Gestört hatte ihn, dass sich damals eine Gruppe von 10 bis 20 Leuten auf dem Marktplatz vor dem Fenster seiner Wohnung im Essener Stadtteil Altendorf versammelt hatte. Aus einem Auto sei laute Musik gekommen. "Geht's ein bisschen leiser?" will er gerufen haben, aber die Gruppe habe ihn gar nicht gehört.
Kugel traf Mann am Hals
Da holte er seine Softairwaffe, legte an und schoss offenbar drei bis vier der Plastikprojektile ab. Eine Kugel traf einen Mann am Hals, der dadurch eine Prellung erlitt. "Ich wollte nur das Auto treffen und niemanden verletzen", heißt es in einer Erklärung des Angeklagten, die sein Verteidiger Timo Scharrmann vorliest. "Mein Mandant hat mich darum gebeten, weil er zu nervös ist", sagt der Anwalt. Mit dem zuvor gerauchten Joint habe die Tat des Angeklagten, die er sehr bedauere, nichts zu tun.
"War danach denn Ruhe?", will Richter Soeren Lenerz wissen. "Danach war Ruhe", bekräftigt der Angeklagte. Für ihn allerdings nicht. Die alarmierte Polizei nahm ihn fest und durchsuchte die 45 Quadratmeter große Wohnung. Dabei fand sie nicht nur ein halbes Kilo Marihuana, 100 Gramm Haschisch sowie Amphetamine, sondern auch ein kleines Waffenarsenal.
Armbrust und Steinschleuder
Vier Schreckschusswaffen und 15 Messer listet der Durchsuchungsbericht auf, dazu eine antike Armbrust, eine Steinschleuder und mehrere Schlagwaffen. Der Angeklagte erklärt das mit seiner Sammelleidenschaft. Außerdem habe die Polizei das falsch eingeordnet. Der Totschläger sei tatsächlich ein Teleskopzeigestock.
Als "typischen Dealer" will Karsten W. sich auch nicht verstanden wissen. Seit vier, fünf Jahren konsumiere er selbst und verkaufe nur an wenige Bekannte, die ihn ein bis zwei Mal im Monat besuchten. Warum er dann so eine große Menge Marihuana in der Wohnung hatte, will Richter Lenerz wissen und bekommt ein wenig Nachhilfe zum Thema Einkauf: "Größere Mengen sind im Preis günstiger."
Erbschaft in kleinen Scheinen
Da schließt sich die Frage an, woher der langjährige Hartz IV-Bezieher das Geld hatte. Aus der Erbschaft, dem Hausverkauf der Mutter, erklärt er. Daher stammten auch die 1030 Euro im Schlafzimmer, die natürlich kein Dealgeld seien. Die Erbschaft sei ihm nämlich nicht überwiesen worden, sondern bar ausgezahlt. "In kleinen Scheinen", spielt der Richter auf die Zehner und Zwanziger in der Schublade an.
Staatsanwalt Christian Bolik rechnet später nach, dass der Angeklagte bei seinem Konsum von drei bis vier Gramm Marihuana am Tag pro Monat 1500 Euro ausgeben musste. Woher das Geld denn stamme, wenn die Erbschaft erst Anfang 2022 ausgezahlt worden sei? Nicht aus Drogenhandel, beharrt der Angeklagte. Zwei weitere Tage hat die XII. Strafkammer angesetzt.