Essen. Der November ist Stau-Monat Nummer eins, wie der Mittwochmorgen bereits beweist. Die Pendlerzahlen in NRW steigen generell wieder an.

Fast 300 Kilometer Stau am Mittwochmorgen, so meldete es der WDR-Verkehrsfunk gegen 9 Uhr zum Ende der morgendlichen Hauptverkehrszeit: Der November gilt als Stau-Monat des Jahres und hat bereits am ersten normalen Arbeitstag bewiesen, dass da wohl was drau ist. Ohnehin steuert das Stauaufkommen in Nordrhein-Westfalen wieder auf ein Vor-Corona-Niveau zu. Davon gehen Experten aus.

Autofahrer müssten sich besonders jetzt, nach den Herbstferien, auf eine „Härtephase“ auf den Straßen einstellen, sagt ADAC-Mobilitätsexperte Roman Suthold. Das Ende der Urlaubszeit und das schlechte Wetter sorgten mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, „dass dieser November wieder ein Staumonat wird“, so Suthold. Hohe Pendlerzahlen, die Vielzahl an Baustellen und der stark ausgeprägte Güterverkehr verursachten, dass Nordrhein-Westfalen Stau-Land Nummer eins bleibt. Ein Überblick.

Verkehr steigt wieder an

Laut der ADAC-Staubilanz hat es 2021 auf den Straßen in Nordrhein-Westfalen wieder ein Drittel mehr Staus als noch im ersten Corona-Jahr 2020 gegeben. Die Anzahl der Staumeldungen auf den mehr als 2200 Autobahnkilometern in NRW stieg im vergangenen Jahr von knapp 162.000 auf rund 215.500 (2021). Im Monatsvergleich gibt es allerdings einen Ausreißer: Von Juli bis September 2021 zählte der ADAC schon wieder mehr Staus als vor der Corona-Pandemie 2019.

Pendlerverhalten

„Wenn wir wollen, dass NRW nicht mehr Stau-Land Nummer eins ist, müssen wir bei den Arbeitszeiten der 2,5 Millionen Berufspendler ansetzen“, betont Suthold. Sofern es der Job zulasse, empfiehlt er Pendlern, die Stoßzeiten morgens und nachmittags zu meiden. „Um die Verkehrslage zu entspannen, können Pendler zum Beispiel von zuhause aus Mails bearbeiten und erst mittags ins Büro fahren.“

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Der Bochumer Verkehrsforscher und Professor für Verkehrswesen Justin Geistefeldt beobachtet, dass sich das Pendlerverhalten durch Corona verändert hat. „Viele verzichten auf Dienstreisen, nehmen online an Konferenzen teil – das Homeoffice hat sich etabliert.“ Diese Veränderungen könnten das Stauaufkommen reduzieren, so Geistefeldt.

Nadelöhr Baustelle

Neben dem Pendlerverkehr sorge auch die Vielzahl an Baustellen für Stauprobleme, sagt Verkehrsforscher Geistefeldt. Gerade die maroden Brücken seien ein Nadelöhr und verursachten lange Umwege. Ersatzneubauten, wie die A45-Talbrücke Rahmede, sollten planungsrechtlich nicht wie Neubauten behandelt werden, fordert Geistefeldt. „Die Politik muss hier die Planungsverfahren beschleunigen.“ Ein zusätzliches Problem sei der Personalmangel. Auf den Baustellen fehlten Planer und Facharbeiter, um die notwendigen Baumaßnahmen umzusetzen.

ÖPNV unter Druck

In der Corona-Zeit haben die Tarif- und Verkehrsverbünde einen großen Fahrgastverlust erlitten. So verzeichnet der Nahverkehr NRW im ersten Halbjahr 2022 trotz des 9-Euro-Tickets rund 23 Prozent weniger Fahrgäste als vor der Pandemie. „Corona hat die Verkehrswende zumindest in Bezug auf den ÖPNV ein Stück weit ausgebremst“, sagt Suthold. Aus Angst, sich in Bus und Bahn womöglich anzustecken, seien viele Menschen in den vergangenen Jahren aufs Auto umgestiegen. Gleichzeitig sei in dieser Zeit der Radverkehr deutlich angestiegen, „der sich positiv auf die Verkehrswende ausübt.“

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Die starken Anstiegszahlen beim 9-Euro-Ticket zeigten zudem, das auch der Preis für viele ein wichtiger Faktor ist. „Im Ländervergleich sind die Tarifpreise in NRW teuer“, sagt der Mobilitätsexperte. Deshalb müsse schnell ein Nachfolgeticket auf die Strecke gebracht werden. Zudem müssten die Hauptverkehrsachsen vor allem im ländlichen Raum für Berufspendler ausgebaut und die Übergänge zwischen Individualverkehr und ÖPNV vereinfacht werden. „Es sollte keine große Hürde sein, mit dem Auto zu einem nahe gelegenen Bahnsteig zu gelangen“, so Suthold.

Güter auf die Schiene?

Um die Straßen zu entlasten und dem Klimawandel entgegenzuwirken, hat sich die Ampel-Koalition zum Ziel gesetzt, einen hohen Anteil an Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Laut Mobilitätsexperte Suthold sei das Vorhaben zwar „begrüßenswert“, könne aber in der Realität nicht umgesetzt werden. Der Deutschen Bahn mangele es an Flexibilität, weshalb Spediteure und Verlader am Ende des Tages LKW zum Transport nutzten. Den Güterverkehr aufs Wasser zu verlegen, sei angesichts von Hoch- und Niedrigwasser für die Speditionen ebenfalls „schwierig kalkulierbar“. Auch Geistefeldt hält eine Verlagerung im großen Stil von der Straße auf Schiene und Wasser für „unrealistisch“. Dafür wären zwei getrennte Schienennetze für den Personenverkehr und den Güterverkehr erforderlich.

Autofahrer gehen in der Energiekrise vom Gas

Laut einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) sind die Menschen hierzulande angesichts der explodierenden Spritpreise langsamer unterwegs. Der Anteil der PKW-Fahrer, die unter der Richtgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometer blieben, erhöhte sich um vier Prozent auf 81 Prozent. Zudem sank die gemessene Durchschnittsgeschwindigkeit im untersuchten Teil des Autobahnnetzes in NRW von Mitte Mai bis Ende August von 116,5 auf 115 Kilometer pro Stunde. Allerdings lag Anzahl der erfassten PKW um 0,59 Prozentpunkte über dem Vorjahr 2021.

>>>Info: Mängel melden per App

Unlesbare Straßenschilder, tiefe Schlaglöcher oder defekte Ampeln: Gegen diese und weitere Mängel im Straßenverkehr hat der ADAC eine Mängelmelder-App eingerichtet.

Unter dem Stichwort „ADAC Läufts?!“ können Interessierte die App kostenlos im Google-Play- und im Apple-App-Store herunterladen. Und so funktioniert’s: Nachdem der Verkehrsteilnehmer den Mangel geschildert hat, leiten Experten den Fall an die zuständige Behörde weiter. Auf einer Karte kann der Nutzer den Bearbeitungsstatus einsehen. Außerdem erhält der Nutzer bei jedem Schritt eine Info per Mail.