Essen/Köln. In Deutschland wächst die Zahl der Kassen ohne Kassierer. Stattdessen scannt der Kunde seine Waren selbst ein. Eine Gelegenheit, die Diebe macht?

Bei Ikea gibt es sie schon seit 2008, auch Baumarktketten wie Bauhaus, Hornbach oder Lebensmittelhändler wie Edeka, Kaufland und Rewe setzen Self-Checkout-Systeme (SCO), im Volksmund bisher meist „Selbstbedienungskassen“ oder „Expresskassen“ genannt, immer öfter ein. Dennoch sind die Vorbehalte bei Kunden wie beim Personal weiterhin groß.

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„Sie sollen doch nur dafür sorgen, dass die Geschäfte noch mehr Personal sparen können“, warnen die einen. Dabei findet man doch jetzt schon oft kaum jemanden, der einem sagen kann, wo die Butter aus dem Angebot steht. „Verleiten die Kunden doch nur dazu, zu klauen“, fürchten andere. Und dann wird es wieder teurer für alle. Das Kölner Forschungs- und Bildungsinstitut EHI hat jetzt untersucht, ob irgendetwas davon stimmt.

Warteschlangen werden kürzer

Zutreffend ist, dass es Bedenken gibt. Viele Käufer stellen sich deshalb bewusst an der Kasse mit Personal an, in der Annahme, sie würden so einen Arbeitsplatz sichern. Für Frank Horst, Autor der Studie und Leiter der EHI-Self-Checkout-Initiative, eine unnötige Sorge. „Wir können in nicht bestätigen, dass durch die Installation von SB-Kassen Arbeitsplätze verloren gehen“, sagt er. Weder vor Corona und seit Beginn der Pandemie erst recht nicht. Wäre ja auch unlogisch: „Schließlich sucht die ganze Branche Personal.“

Ein gewohntes Bild in vielen Supermärkten. Lange Schlangen vor der Kasse.
Ein gewohntes Bild in vielen Supermärkten. Lange Schlangen vor der Kasse. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Kürzere Schlangen gibt es durch SCO übrigens auch. „Auf einer Fläche von zwei herkömmlichen Kassen können vier neue SB-Kassen installiert werden“, weiß Horst. Das spart nicht nur Platz, sondern auch Zeit, selbst wenn Otto-Normal-Kunde mit der Geschwindigkeit einer erfahrenen Kassiererin in etwa so gut mithalten kann, wie ein Trecker mit einem Sportwagen. „In der Summe ist der Bezahlvorgang mit mehreren SB-Kassen trotzdem schneller“, bestätigt Horst.

Tempo lässt sich selbst bestimmen

Dabei ist Schnelligkeit für manche Kunden bei SB-Kassen gar nicht so wichtig, wie Umfragen gezeigt haben. Ganz im Gegenteil. „Einmal ausprobiert, weiß mancher Käufer es zu schätzen, das Tempo beim Scannen selbst bestimmen zu können“, sagt Horst. So lasse sich etwa besser kontrollieren, ob das Waschmittel wirklich zu dem Preis im System ist, zu dem es beworben wird. Außerdem muss die Ware nicht gehetzt vom Tempo der Kassiererin hastig wieder in den Einkaufswagen gepackt werden.

Und was ist mit der Gelegenheit, die Diebe macht? Oder anders gefragt: Führen Selbstbedienungskassen zu – wie der Handel es nennt – „größeren Inventurdifferenzen“, also zu mehr Diebstahl? Das könne man nicht feststellen, ist sowohl bei Ikea als auch bei Hornbach zu hören. Und Horst sagt: „85 Prozent der befragten Unternehmen haben in der EHI-Studie keine erhöhten Inventurdifferenzen festgestellt.“

Kontrollen gibt es weiterhin

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Den Studienleiter wundert das nicht. „Es ist ja nicht so, dass es beim Self-Checkout gar keine Kontrollen gibt.“ Da sind Waagen, auf die man die Ware beim Scannen legen muss, Kameras, die der Kundschaft über die Schulter schauen können, ein Ausgangstor, das sich nur bei bezahltem Bon öffnet und letztendlich auch Mitarbeiter, die bei Problemen helfen, aber auch ein Auge auf die Kundschaft haben sollen. „Das alles verhindert Diebstähle ähnlich effektiv wie an den herkömmlichen Kassen“, sagt Horst.

"Willkommen an der SB-Kasse". Immer mehr Unternehmen bieten die Alternative zur klassischen Bezahlweise an. © picture alliance / Swen Pförtner/dpa | Swen Pförtner

Auf Dauer glauben Branchenkenner dann auch, werde sich der Siegeszug von Self-Checkout-Systemen nicht aufhalten lassen. In rund 1700 Märkten sind die Selbstbedienungskassen in Deutschland derzeit im Einsatz. Eine Zahl, die sich laut Horst alle zwei Jahre relativ linear verdoppelt. Und stationäre Kassen dürften nur ein Zwischenschritt sein. Die Zukunft gehört dem „mobile Self-Scanning“, bei dem der Kunde mit einem Handscanner, einem am Einkaufswagen installierten Lesegerät oder einer App auf dem Smart-Phone, seinen Einkauf registriert und später zahlt.

Nur ein Zwischenschritt

Es geht sogar noch mehr. Amazon testet in den USA und in London bereits seit einiger Zeit ein System, bei dem Kameras und andere Sensoren wie Waagen in den Regalböden registrieren, welcher (zuvor einmal registrierte) Kunde was für Waren mitgenommen hat. Kassiert wird später online per App. Personal wird dort – wenn überhaupt – nur noch zum Auffüllen der Regale benötigt. Horst hat bereits einen Namen für diese Läden gefunden: „Begehbare Verkaufsautomaten