Essen. Ulrich Schilling-Strack, früherer WAZ-Korrespondent in London, erinnert sich an den gesunden Humor der Queen und das Geheimnis ihrer Handtaschen.

Ulrich Schilling-Strack ist der Queen Elizabeth II. mehrfach begegnet. Eine ganz persönliche Erinnerung des ehemaligen Londoner WAZ-Korrespondenten an die Königin, die am Donnerstag im Alter von 96 Jahren gestorben ist.

Hat man lange in London gelebt, kennt man die Queen in- und auswendig. Glaubt man jedenfalls. Der Name des ersten Corgis (Susan), das Rezept des Nudelsalats, der eigenhändig verpackt in der Tupperdose zum Familienpicknick auf Balmoral gereicht wurde, sogar der eigentlich streng geheime Handtaschencode: Handtasche links vor sich auf den Boden gestellt, bedeutete Alarmstufe Rot und signalisierte der Hofdame, Majestät umgehend von einem besonders langweiligen Gesprächspartner zu befreien – alles bekannt, alles im Laufe der Jahre interessiert zur Kenntnis genommen im bunten Korrespondentenleben.

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Dass es doch noch weiße Flecken im Leben der berühmtesten Frau der Welt gab, stellte sich einmal mehr bei den Feiern zum Krönungsjubiläum im Juni heraus. Inmitten der mehrtägigen Feierlichkeiten hatten die Organisatoren ein kurzweiliges Kleinod versteckt, einen Videoclip, der im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Wer ihn noch nicht gesehen hat, muss das sofort nachholen. Während vor den Toren des Buckingham Palastes eine vielköpfige Menge Fähnchen schwingt, empfängt die Queen zum Tee einen ganz besonderen Gast: Paddington Bär, ein weiteres Nationalheiligtum.

Bär Paddington zum Tee bei der Queen

Paddington Bär ist ein Stoffteddy, den jedes Kind kennt in England. Blauer Dufflecoat, großer Hut, unter dem er immer ein Marmeladenbrot aufbewahrt, für den Notfall. „Soll ich Ihnen was abgeben“, fragt der Bär die Queen freundlich, aber die lehnt dankend ab, öffnet die Handtasche, holt auch ein Marmeladenbrot heraus und sagt: „Habe ich auch immer dabei.“ Danach klopfen beide bestens gestimmt mit den silbernen Löffeln den Takt zu „We will Rock you“; was von der Rockgruppe Queen gerade vor dem Palast angestimmt wird.

Ulrich Schilling-Strack berichtete 13 Jahre lang als WAZ-Korrespondent aus London.
Ulrich Schilling-Strack berichtete 13 Jahre lang als WAZ-Korrespondent aus London. © FUNKE Foto Services | Volker Speckenwirth

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Seitdem war also nicht nur bekannt, was Handtasche links auf dem Boden bedeutet, sondern auch, was drin ist. Die Nation zeigte sich begeistert. Keiner fand befremdlich, dass Majestät einen solchen Spaß mitmacht. Denn in den letzten 70 Jahren hatte man gelernt: Unsere Queen ist nicht nur eine weise Frau, sie hat auch unseren gesunden Humor. Den zeigte sie gern, wenn es passte. Etwa bei der Taufe eines Kreuzfahrtschiffes, das ihren Namen trug. Vielleicht war ihr langweilig geworden. Vielleicht war sie auch ein wenig pikiert über die Delegation der amerikanischen Eigentümer der Flotte, die ihr Desinteresse an höfischen Umgangsformen ein wenig zu deutlich präsentierten – jedenfalls betätigte sie mitten in den Feierlichkeiten plötzlich das Nebelhorn, was dem überraschten Kapitän fast die Mütze vom Kopf blies und die Amis verschreckte.

Überhaupt pflegte Queen Elizabeth einen durchaus robusten Umgang mit den Honoratioren, die sich gern in ihrem Glanz sonnten. Legendär sind die Scharmützel mit allzu selbstbewussten Politikern. Alles streng geheim natürlich, aber öffentlich dennoch genüsslich diskutiert. Premierministerin Margaret Thatcher war der Queen wohl in gegenseitiger Abneigung verbunden. Im engsten Kreis sprach Majestät nur von „That Woman“, heißt es. Tony Blair hatte ihr als republikanischer Labour-Häuptling beim ersten Treffen angeblich recht burschikos angetragen, ihn doch bitte „Tony“ zu nennen. Wir bleiben bei Mister Blair, wurde ihm kühl beschieden.

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Dem gemeinen Untertan nahm sie dagegen mit warmer Höflichkeit und ungespieltem Interesse schnell die Scheu. Etwa bei den jährlichen Gartenfesten im Buckingham Palast. Tausende eingeladene Gäste, eine besondere Ehre übrigens, warteten dort aufgeregt auf den großen Moment, wenn sich die Terrassentüren öffneten und die Royals sich unters Volk mischten. Freundlich lächelnd schritt Majestät die Parade der Schülerlotsen, Küchenhilfen ab und vermittelte in einem kleinen Gespräch auch dem Pfadfinder in der dritten Reihe das Gefühl, dieses Land sei ohne ihn arm dran.

Warum die Elizabeth II eine Banane ausschlug

Auf dem Wochenmarkt in Kingston, einem Vorort von London, wo dieser Korrespondent lebte, gab es dann mal eine Statue von Queen Victoria zu enthüllen. Auch das zählt zum prall gefüllten Terminkalender des Staatsoberhaupts, und der bevorstehende Besuch der Queen war bei uns natürlich wochenlang das große Thema. Besonders aufgeregt war Peter Grant, ein altgedienter Markthändler, der auserkoren worden war, Majestät ein bisschen was zum bunten Treiben zu erzählen. Als die Queen endlich vor ihm anhielt, hatte Peter natürlich alles vergessen, was er sagen sollte. Nach einer quälenden Pause entschied er sich für einen Griff in die vor ihm stehende Obstkiste und stieß hervor: Kann ich Sie für eine Banane interessieren, Majestät? Die reagierte mit einem verständnisvollen Lächeln und der trockenen Antwort: Heute nicht, Mister Grant, heute mal nicht.

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Das sind die Geschichten, die man sich in diesen Tagen noch einmal erzählt in Großbritannien, voller Bewunderung, längst auch voller Liebe. Paddington Bär hat sich natürlich auch zu Wort gemeldet und im Namen der Nation wiederholt, was er im Namen der Nation schon beim Jubiläumstee sagte: Danke, Majestät. Für alles.