Hattingen. Die Familie eines ehemaligen WAZ-Korrespondenten ist direkt betroffen. IHK befürchtet Nachteile für Unternehmen und damit für die Gesellschaft.

Natürlich hat er die Debatte und die Brexit-Abstimmung im britischen Unterhaus live am Bildschirm verfolgt. Schließlich war Ulrich Schilling-Strack 13 Jahre lang Korrespondent für die WAZ in London. Der Hattinger hat Verwandte und Freunde in England. Die Frage: Wie geht es weiter?

„Aus jetziger Sicht wird Premierministerin Theresa May das Misstrauensvotum überstehen. Denn ihre Partei hat kein Interesse daran, nach Neuwahlen die Macht zu verlieren. Möglich ist ein zweites Referendum, weil sich die Dinge geändert haben.“ Dass sich die Engländer aber einfach aus der Problematik herausschleichen, beurteilt Schilling-Strack als „völlig unwahrscheinlich. Dazu sind sie viel zu sehr Demokraten, die die Meinung des Volkes respektieren“.

England habe sich ja auch jetzt schon darauf eingestellt, dass es nach dem 29. März plötzlich mit völlig veränderten Strukturen weitergehe. „Sie haben bereits Schiffe und Lastwagen bereitgestellt, um den Warenverkehr aufrecht zu erhalten. Möglich wäre zum Beispiel eine Zollunion, wie es sie auch mit anderen Ländern schon gibt. Man kann sich ja eine Reihe von anderen ökonomischen Möglichkeiten vorstellen.“

Niemand hat das für möglich gehalten

Eines, so Ulrich Schilling-Strack, sei aber sicher. „Ob Neuwahlen oder nicht, das Land ist tief gespalten. Und diese tiefe Kluft wird so schnell niemand mehr beheben können.“ Gerechnet habe mit dieser Entwicklung in den letzten zwei Jahren niemand. „London ist eine Metropole, da arbeiten und leben Menschen aus der ganzen Welt. Die wären nie im Leben auf die Idee gekommen, dass ein Brexit auch nur denkbar sei. Niemand hat so eine Entwicklung für möglich gehalten.“ Diejenigen, die immer schon gegen die EU waren, seien die Leute auf dem Land: die Fischer, die Farmer, die Arbeitslosen. Wenn England tatsächlich aus der EU austreten würde, stecke für die Menschen der Teufel im Detail.

„Mein Sohn lebt seit 1994 in London, ist dort in eine deutsche Schule gegangen, hat eine Engländerin geheiratet und wird bald Vater. Nach EU-Recht könnten sich die beiden die Elternzeit aufteilen. Wenn England die EU verlässt, ist nicht geklärt, ob das noch geht. Jetzt versucht er, bis Ende März einen englischen Pass zu bekommen, was bisher nie Thema war.“

Freier Handel ist nicht mehr möglich

„Nach der Brexit-Entscheidung hängen wir alle in der Luft“, sagt Jörg A. Linden, Pressesprecher der IHK Mittleres Ruhrgebiet, und atmet tief aus. Unsicherheit gebe es für Industrie und Gesellschaft und das sei schlecht, vor allem für die Unternehmen.

„Wo immer eine Mauer hochgezogen wird, ist es schädlich. Es werden Zölle erhoben, die Produkte werden teurer, Märkte gehen verloren, freier Handel wie bisher ist nicht mehr möglich.“ Man denke nur an einen deutschen Maschinenbauer, der in erster Linie vom Export lebt. „Für die Wirtschaft ist so eine Unsicherheit schlecht.“